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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Ölfeld in Texas für die Beseitigung von Öllachen zuständig und musste feststellen, dass die Aufräumkosten sich schon für eine kleine Lache auf durchschnittlich 100 000 Dollar summierten. Mit anderen Worten: Die Beseitigung von Umweltschäden ist in der Regel viel teurer als ihre Vermeidung, genau wie die Therapie eines kranken Patienten nach den Erfahrungen der Ärzte meist viel aufwendiger und weniger wirksam ist, als wenn man sich bemüht, die Erkrankung durch billige, einfache Vorbeugungsmaßnahmen von vornherein zu verhüten.
    Wenn ein Konzern nach Öl sucht und dann ein Ölfeld aufbaut, tätigt er eine große Anfangsinvestition, danach bleibt das Feld für einen Zeitraum von 20 bis 50 Jahren ein Aktivposten. Die Gefahr einer großen Ölpest durch Umweltschutz- und Sicherheitsmaßnahmen auf »nur« durchschnittlich ein Ereignis je Jahrzehnt zu vermindern, reicht also bei weitem nicht aus, denn dann muss man in den 20 bis 50 Betriebsjahren mit zwei bis fünf großen Unfällen rechnen. Deshalb ist es entscheidend, viel strenger vorzugehen. Eine solche langfristig angelegte Strategie der Ölkonzerne begegnete mir zum ersten Mal, als ich mich an den Leiter der Londoner Niederlassung der Royal Dutch Shell Oil Company wandte. Diese Filiale hat die Aufgabe, plausible Alternativszenarien für den Zustand der Welt in 30 Jahren zu entwickeln. Wie der Direktor mir erklärte, betreibt Shell das Büro, weil man damit rechnet, dass ein typisches Ölfeld mehrere Jahrzehnte lang betrieben wird; um also klug zu investieren, muss man Voraussagen darüber treffen, wie die Welt in mehreren Jahrzehnten aussehen wird.
    Ein Faktor, der damit in Verbindung steht, sind die Erwartungen der Öffentlichkeit. Anders als die giftigen Abwässer aus dem Bergbau, von denen später noch die Rede sein wird, ist eine Ölpest im Allgemeinen deutlich zu sehen, und wenn sie auftritt (weil eine Pipeline, eine Ölplattform oder ein Tanker bricht oder explodiert), geschieht es plötzlich und vor aller Augen. Auch die Auswirkungen der Ölpest sind in der Regel nicht zu übersehen, beispielsweise wenn Bilder von ölverschmierten toten Vögeln über die Fernsehschirme und durch die Zeitungen gehen. Man kann also damit rechnen, dass die Öffentlichkeit bei jedem großen Umweltschaden, den ein Ölkonzern anrichtet, laut aufschreit.
    Besonders wichtig waren solche Gedanken über die Erwartungen der Öffentlichkeit und die Verminderung von Umweltschäden in Papua-Neuguinea, einer dezentralen Demokratie mit relativ schwacher Zentralregierung, schwachen Polizei- und Streitkräften und lokalen Gruppen mit starkem Einfluss. Die Grundbesitzer rund um die Kutubi-Ölfelder sind auf Felder, Wälder und Flüsse angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und eine Ölpest würde sich auf ihr Leben viel stärker auswirken als ölverschmierte Seevögel auf das Leben der amerikanischen Fernsehzuschauer. Ein Chevron-Mitarbeiter erklärte es mir so: »Wir haben erkannt, dass in Papua-Neuguinea kein Projekt auf lange Sicht erfolgreich sein kann, wenn man damit die natürlichen Ressourcen nutzen will und sich nicht die Unterstützung der örtlichen Grundbesitzer und Dorfbewohner gesichert hat. Wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Land und ihre Lebensmittelproduktion durch Umweltschäden gefährdet sind, würden sie das Projekt stören und zum Abbruch zwingen, wie es in Bougainville geschehen ist [nähere Erläuterungen siehe unten]. Die Zentralregierung ist nicht in der Lage, solche Störungen durch die Grundbesitzer zu verhindern, also mussten wir klug vorgehen, um die Schäden gering zu halten und eine gute Beziehung zur örtlichen Bevölkerung zu pflegen.« Ähnliche Gedanken äußerte ein weiterer Angestellter des Unternehmens mit anderen Worten: »Wir waren von Anfang an felsenfest überzeugt, dass das Kutubu-Projekt nur dann ein Erfolg werden würde, wenn wir mit den Gemeinschaften der örtlichen Grundbesitzer so gut zusammenarbeiteten, dass es ihnen nach ihrem eigenen Eindruck mit uns zusammen besser geht, als wenn wir nicht da wären.«
    Diese ständige Überprüfung der Tätigkeit von Chevron durch die örtliche Bevölkerung hat noch einen Nebeneffekt: Die Bewohner merken, dass man viel Geld verdienen kann, wenn man auf Ölkonzerne und andere Unternehmen mit gut gefüllter Kasse Druck ausübt. Sie zählen die Bäume, die beim Bau einer Straße gefällt werden, messen Bäumen, auf denen die Paradiesvögel ihr Gefieder zeigen, einen besonders hohen Wert

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