Kollaps
Mitarbeiter sehen selbst, in welchem Zustand sich die Umwelt auf den Ölfeldern befindet, und sie erkennen, dass das Unternehmen sich zu einer umweltfreundlichen Strategie verpflichtet hat. Von vielen Chevron-Mitarbeitern hörte ich, Ethik und Umweltbewusstsein der Angestellten kämen einerseits der sichtbar umweltfreundlichen Handlungsweise des Unternehmens zugute, sie seien aber andererseits auch die Triebkraft gewesen, dass das Unternehmen sich eine solche Handlungsweise überhaupt erst zu Eigen machte.
Insbesondere war Umweltbewusstsein ein Kriterium für die Auswahl der Spitzenmanager in dem Unternehmen; die beiden letzten CEOs (Chief Executive Officers - also Vorstandsvorsitzende) von Chevron, zunächst Ken Derr und dann David O’Reilly, kümmerten sich persönlich um ökologische Fragen. Mitarbeiter des Konzerns aus mehreren Ländern erzählten mir unabhängig voneinander, dass sie und alle anderen Mitarbeiter auf der ganzen Welt jeden Monat vom Vorstand eine E-Mail erhalten, die über den Zustand des Unternehmens informiert. In diesen Mails ist häufig von Umwelt und Sicherheit die Rede, und beiden wird oberste Priorität beigemessen, weil sie für das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll seien. Auf diese Weise erfahren die Mitarbeiter, dass Umweltfragen ernst genommen werden und nicht nur ein Vorzeigethema für die Öffentlichkeit sind, das innerhalb der Firma missachtet wird. Zu einer Schlussfolgerung, die dieser Beobachtung entspricht, gelangen auch Thomas Peters und Robert Waterman, Jr. in ihrem Bestseller Auf der Suche nach Spitzenleistungen: Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann. Wie sie darin feststellen, schaffen Manager für ihre Mitarbeiter die beste Motivation für ein bestimmtes Verhalten, wenn diese sehen, dass auch die Manager selbst sich dieses Verhalten zu Eigen machen.
Und schließlich macht die moderne Technik es den Ölkonzernen heute einfacher als früher, sich umweltfreundlich zu verhalten. Heute kann man beispielsweise von einer einzigen Stelle an der Oberfläche mehrere Bohrlöcher in horizontaler oder vertikaler Richtung vortreiben, während früher jedes Bohrloch von einer anderen Stelle aus senkrecht in die Tiefe führen musste, was für die Umwelt viel größere Auswirkungen hatte. Das »Bohrgut« - die Gesteinstrümmer, die beim Bohren entstehen - kann man heute in eine abgetrennte unterirdische Formation pumpen, die kein nutzbares Öl enthält, statt sie wie früher in einer Grube oder im Meer zu deponieren. Das Erdgas, ein Nebenprodukt der Ölgewinnung, wird nicht mehr ›abgefackelt‹, sondern entweder wieder in ein unterirdisches Lager geleitet (wie auf dem Kutubu-Feld) oder (auf manchen anderen Ölfeldern) mit Pipelines abtransportiert oder verflüssigt, auf Schiffe verladen und verkauft. Auf vielen Ölfeldern, auch auf dem von Kutubu, werden Bohrstellen regelmäßig mit dem Hubschrauber erkundet; das ist zwar teuer, aber der Bau von Straßen und die damit verbundenen Umweltschäden sind häufig noch kostspieliger.
Das sind also die Gründe, warum Chevron und andere große multinationale Ölkonzerne den Umweltschutz mittlerweile ernst nehmen. Unter dem Strich können sie mit umweltfreundlichem Verhalten Geld verdienen und sich langfristig Zugang zu neuen Öl- oder Gasfeldern verschaffen. Aber ich muss es noch einmal wiederholen: Ich behaupte nicht, die gesamte Ölbranche habe sich ein umweltfreundliches, verantwortungsbewusstes, bewundernswertes Verhalten zu Eigen gemacht. Es gab in jüngerer Zeit auch öffentlichkeitswirksame, langwierige und schwer wiegende Katastrophen, beispielsweise durch schlecht gewartete und geführte Tanker mit einfacher Rumpfwand (wie die 26 Jahre alte Prestige, die 2002 vor der spanischen Küste sank) - solche Schiffe befinden sich meist nicht im Besitz der Ölkonzerne, denn diese sind weitgehend auf Tanker mit doppelter Rumpfwand umgestiegen. Weitere Probleme sind alte, ökologisch schädliche Fabriken (zum Beispiel in Nigeria oder Ecuador), die vor der Entwicklung umweltfreundlicher Technologien errichtet wurde und sich jetzt nicht oder nur mit hohem Aufwand nachrüsten lassen, und Unternehmen unter der Obhut korrupter, verbrecherischer Regierungen wie in Nigeria und Indonesien. Dagegen zeigt das Beispiel Chevron Niugini, wie auch ein Ölkonzern seine Geschäfte so betreiben kann, dass die Umwelt und die Bevölkerung des betroffenen Gebietes davon profitieren - insbesondere wenn die Alternative darin bestünde, das gleiche
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