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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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offene Meer die Insel Pitcairn entdeckten, an dem einzigen dafür geeigneten Strand landeten, die steilen Abhänge hinaufstiegen und dort auf den Steinbruch Down Rope stießen, in ganz Südostpolynesien die einzige nutzbare Lagerstätte mit vulkanischem Glas, dessen Splitter als scharfe Werkzeuge für feine Schneidearbeiten dienen konnten. Die Aufregung wurde zur Begeisterung, als sie einen guten Kilometer weiter westlich an der Küste die Tautama-Ader mit feinkörnigem Basalt entdeckten, wo nun der größte Steinbruch Südostpolynesiens für den Abbau von Axtmaterial entstand.
    In anderer Hinsicht bot Pitcairn wesentlich weniger Möglichkeiten als Mangareva. Zwar gab es auch hier jahreszeitlich wasserführende Bäche, und in den Wäldern standen so große Bäume, dass man daraus die Rümpfe von Auslegerkanus herstellen konnte. Aber wegen der steilen Berge und der kleinen Gesamtfläche gab es auf Pitcairn nur wenig ebenes Gelände, das sich für die Landwirtschaft eignete. Ein ebenso schwer wiegender Nachteil war die Tatsache, dass es vor der Küste von Pitcairn kein Riff gibt, und der Meeresboden fällt in der Umgebung der Insel steil ab, sodass Fischerei und Muschelsuche viel weniger lohnend sind als auf Mangareva. Insbesondere gibt es vor Pitcairn keine Bänke der Großen Perlmuscheln, die als Nahrung und für die Werkzeugherstellung so nützlich waren. Deshalb bestand die gesamte Bevölkerung auf Pitcairn in polynesischer Zeit vermutlich aus nicht mehr als 100 Menschen. Die Nachkommen der Meuterer von der Bounty und ihre polynesischen Mitbewohner, die heute auf Pitcairn leben, zählen insgesamt nur 52 Personen. Als ihre Zahl von der ursprünglich 27-köpfigen Gruppe des Jahres 1790 bis 1856 auf 194 Nachkommen angewachsen war, überforderte diese Bevölkerung die landwirtschaftliche Kapazität der Insel, sodass ein großer Teil der Bewohner von der britischen Regierung auf die weit entfernte Insel Norfolk umgesiedelt werden musste.
    Henderson, die dritte bewohnbare Insel Südostpolynesiens, ist mit 36 Quadratkilometern die größte, sie ist aber auch am weitesten abgelegen (160 Kilometer nordwestlich von Pitcairn und 650 Kilometer östlich von Mangareva) und eignet sich am wenigsten für Menschen. Im Gegensatz zu Mangareva und Pitcairn ist Henderson nicht vulkanischen Ursprungs, sondern ein Korallenriff, das durch geologische Vorgänge 30 Meter weit aus dem Meer gehoben wurde. Basalt oder anderes Gestein, das sich für die Herstellung von Werkzeugen eignen würde, gibt es auf Henderson überhaupt nicht. Für eine Gesellschaft, die auf Steinwerkzeuge angewiesen war, stellte das eine schwer wiegende Einschränkung dar. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass Henderson weder Bäche noch zuverlässige Süßwasserquellen besitzt, weil die Insel aus porösem Kalkstein besteht. Im besten Fall tropft Wasser nach einem der unvorhersehbaren Regengüsse einige Tage lang von den Höhlendächern, und am Boden bilden sich dann Wasserpfützen. Eine Süßwasserquelle sprudelt etwa sechs Meter vor der Küste aus dem Meeresboden. Wie Marshall Weisler während seines mehrmonatigen Aufenthaltes auf der Insel feststellte, erfordert die Beschaffung von Trinkwasser selbst heute, wo man den Regen mit modernem Ölzeug auffangen kann, ständige Anstrengungen, sodass er zum Waschen und Baden sowie größtenteils auch zum Kochen Salzwasser verwenden musste.
    Selbst Erde gibt es auf Henderson nur in kleinen Nischen zwischen dem Kalkstein. Die höchsten Bäume der Insel sind mit ungefähr 15 Metern nicht groß genug, um sie zu Kanurümpfen zu verarbeiten. Sie bilden einen niedrigen Wald, und das Unterholz ist dort so dicht, dass man es nur mit einer Machete durchdringen kann. Die Strände von Henderson sind schmal und beschränken sich auf das Nordende; die Südküste besteht aus senkrechten Klippen, an denen ein Boot unmöglich anlegen kann; und das südliche Ende der Insel ist eine makatea-Landschaft, in der sich rasiermesserscharfe Kalksteinkanten und Risse abwechseln. In diesen südlichen Teil sind erst drei Mal Gruppen von Europäern vorgedrungen, darunter auch Weislers Team. Weisler brauchte mit Wanderstiefeln volle fünf Stunden, um die acht Kilometer von der Nordküste der Insel zur Südküste zurückzulegen - und dort entdeckte er prompt einen Felsüberhang, unter dem früher barfüßige Polynesier gelebt hatten.
    Als Gegengewicht besitzt Henderson aber auch Vorteile. Am Riff und in dem umgebenden flachen Wasser leben Hummer,

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