Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Pakt mit dem Teufel anspielten. Auf ihre Bereitschaft, noch einen Kollegen zu opfern, wenn sie dadurch Valentin fassen konnten. Den Pakt, den sie besiegelt hatte mit den Worten: Noch einmal, du Satan. Schlag noch einmal zu!
Katrine schluchzte laut auf.
Das laute Schluchzen brachte Truls Berntsen dazu, sich aufzurichten. Fast wäre er eingeschlafen. Verdammt, wie glatt der billige Anzugstoff auf der abgeschliffenen Kirchenbank war, er rutschte ja fast vom Sitz.
Er richtete seinen Blick auf die Altartafel. Jesus mit einem Strahlenkranz um den Kopf. Die Quelle des Lichts. Die Vergebung der Sünden. Es war echt ein Geniestreich. Als die Religion nicht mehr so leicht zu verkaufen gewesen war und die Gebote wegen all der Verlockungen kaum noch eingehalten wurden, war ihnen diese Idee als Gegenleistung für einen unerschütterlichen Glauben gekommen. Eine Verkaufsidee auf dem Niveau von Ratenzahlungen, Erlösung beinahe gratis, jedenfalls kam es einem so vor. Aber wie bei den Einkäufen auf Kredit war auch das ausgeartet, den Menschen war alles egal, sie sündigten ihr Leben lang, denn es reichte ja, ein bisschen zu glauben. Irgendwann im Mittelalter hatte man die Zügel wieder enger gefasst und das Inkassosystem eingeführt, die Hölle und das Fegefeuer erfunden. Und – schwupps – kamen die Kunden wieder in die Kirche, und dieses Mal zahlten sie ihren Obolus. Die Kirche wurde steinreich, was nicht mehr als recht und billig war, schließlich hatte sie einen guten Job gemacht. Truls war wirklich überzeugt davon, auch wenn er glaubte, dass mit seinem Tod alles zu Ende war. Er wartete weder auf die Vergebung der Sünden noch auf die Hölle. Sollte er sich irren, stand ihm natürlich eine schwere Zeit bevor, das war klar. Es musste Grenzen geben, welche Sünden man noch vergeben konnte und welche nicht, und Jesus hatte wohl kaum Phantasie genug, um sich auch nur ein paar der Dinge vorzustellen, die Truls gemacht hatte.
Harry starrte vor sich hin. War in Gedanken im House of Pain , in dem Beate wild gestikulierend vor ihm saß. Er kam erst zu sich, als Rakel flüsternd sagte:
»Du musst Gunnar und den anderen helfen, Harry.«
Er zuckte zusammen und sah sie fragend an.
Sie nickte in Richtung Altar, wo die Kollegen bereits an den Sarg getreten waren. Gunnar Hagen, Bjørn Holm, Katrine Bratt, Ståle Aune und der Bruder von Jack Halvorsen. Hagen hatte Harry vorher erklärt, dass er auf der gegenüberliegenden Seite von Beates Schwager tragen sollte, der der Zweitgrößte von ihnen war.
Harry stand auf und ging mit raschen Schritten durch den Mittelgang nach vorn.
Du musst Gunnar und den anderen helfen.
Es war wie ein Echo dessen, was sie am Abend zuvor gesagt hatte. Harry nickte ihnen wortlos zu und nahm den freien Platz ein.
»Auf drei«, sagte Hagen leise.
Die Orgeltöne schoben sich übereinander, wurden lauter, und dann trugen sie Beate Lønn nach draußen ins Licht.
Das Justisen quoll nach der Beisetzung von Beerdigungsgästen über.
Aus den Lautsprechern dröhnte ein Song, den Harry schon einmal gehört hatte. »I Fought the Law« von den Bobby Fuller Four. Mit der optimistischen Fortsetzung »… and the law won «.
Er hatte Rakel zum Expresszug zum Flughafen gebracht, und in der Zwischenzeit hatten es einige seiner Kollegen bereits geschafft, sich einen anzutrinken. Als nüchterner Außenseiter erkannte Harry ihr fast panisches Kampftrinken, als säßen sie auf einem sinkenden Schiff. An einigen der Tische sangen sie den Refrain des Liedes mit.
Harry signalisierte dem Tisch, an dem Katrine Bratt und die anderen Sargträger saßen, dass er gleich kommen würde, und verschwand auf die Toilette. Als er Wasser ließ, trat ein Mann neben ihn. Er hörte das Öffnen des Reißverschlusses.
»Ein wahrer Ort für Polizisten«, nuschelte es. »Deshalb die Frage. Was zum Henker machst du hier?«
»Pissen«, sagte Harry, ohne aufzublicken. »Und du, Brenner?«
»Wag es nicht, Hole.«
»Hätte ich das getan, würdest du nicht mehr als freier Mann rumrennen, Berntsen.«
»Pass bloß auf«, stöhnte Truls Berntsen und stützte sich beim Pinkeln mit einer Hand an der Wand ab. »Ich kann dir jederzeit einen Mord anhängen, das weißt du. Dieser Russe im Come As You Are – jeder bei der Polizei weiß, dass du das warst, aber ich bin der Einzige, der es beweisen kann. Und deshalb hältst du schön dicht.«
»Berntsen, ich weiß nur, dass dieser Russe ein Dealer war, der mich umzubringen versucht hat. Du kannst es ja
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