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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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trennen und streckte ihre Strahlenfinger aus, als wollte sie den Abschied in die Länge ziehen.
    Der Tag hatte kalt und klar begonnen, und das Licht war fast wie in einem Operationssaal gewesen. Im Laufe des Tages waren die Temperaturen gestiegen, der Himmel war tiefblau geworden, und die Luft hatte die angenehme Stofflichkeit bekommen, die den September zum schönsten Monat des Jahres machte. Und als die Dämmerung sich weich und vorsichtig über die Stadt legte, duftete es im Villenviertel an den Hängen hinauf zum See Maridalsvannet nach Äpfeln und sonnenwarmen Kiefernwäldern.
    Erlend Vennesla näherte sich dem höchsten Punkt der letzten Steigung. Er spürte die Milchsäure in seinen Muskeln, konzentrierte sich aber weiter darauf, vertikal und mit leicht nach innen zeigenden Knien seine Klickpedale zu treten. Die richtige Technik war wichtig. Erst recht, wenn man müde wurde und das Hirn plötzlich Lust verspürte, die Position zu ändern, um weniger erschöpfte, aber eben auch weniger effektive Muskeln zu belasten. Er spürte, wie der Fahrradrahmen jedes Watt, das er trat, absorbierte und ausnutzte, wie er beschleunigte, wenn er einen größeren Gang einlegte, sich aufrichtete und im Stehen fuhr, um die Frequenz beizubehalten, etwa neunzig Tritt pro Minute. Er sah auf seine Pulsuhr. Hundertachtundsechzig. Dann richtete er das Licht seiner Stirnlampe auf das am Lenker befestigte GPS , das über eine Detailkarte des Großraums Oslo und einen aktiven Sender verfügte. Das Fahrrad hatte inklusive Sonderausstattung mehr gekostet, als ein frisch pensionierter Kriminalbeamter sich eigentlich leisten konnte. Aber jetzt, wo das Leben andere Herausforderungen bot, war es wichtig, sich in Form zu halten.
    Weniger Herausforderungen, wenn er ehrlich war.
    Die Milchsäure biss immer fester in seine Schenkel und Waden, aber der Schmerz weckte bereits die Vorfreude auf das Fest der Endorphine, das auf ihn wartete, wenn er es geschafft hatte. Die mürben Muskeln. Das gute Gewissen. Das Bier auf dem Balkon gemeinsam mit seiner Frau, vorausgesetzt, die Temperaturen gingen nach Sonnenuntergang nicht gleich wieder so drastisch in den Keller.
    Und dann war er oben. Die Straße wurde flacher, und vor ihm lag der See Maridalsvannet. Er ließ das Rad rollen. Mit einem Mal war er auf dem Land. Es war schon absurd, dass man nach fünfzehn Minuten schnellem Radfahren aus dem Zentrum einer europäischen Hauptstadt plötzlich von Feldern, Höfen und Wald umgeben war, durch dessen abendliches Dunkel zahllose Wege führten. Der Schweiß ließ seine Kopfhaut unter dem koksgrauen Bell-Fahrradhelm jucken, der so viel gekostet hatte wie das Fahrrad, das er seiner Enkelin Line Marie zum sechsten Geburtstag geschenkt hatte. Aber Erlend Vennesla behielt den Helm auf. Die meisten tödlichen Fahrradunfälle waren auf Kopfverletzungen zurückzuführen.
    Er sah auf seine Pulsuhr. Hundertfünfundsiebzig. Hundertsiebenundsiebzig. Ein willkommener, leichter Windhauch trug entfernten Jubel aus der Stadt zu ihm nach oben. Das musste aus dem Ullevål-Stadion kommen, in dem an diesem Abend ein wichtiges Länderspiel lief, Slowakei oder Slowenien, aber Erlend Vennesla stellte sich einen Moment lang vor, der Jubel gelte ihm. Es war eine Weile her, dass ihm zuletzt applaudiert worden war. Vermutlich war das bei seiner Verabschiedung im Hauptsitz des Kriminalamts oben in Bryn gewesen. Es hatte Sahnekuchen gegeben, und sein Chef, Mikael Bellman, der seitdem die Karriereleiter immer weiter nach oben geklettert war, hatte ihm zu Ehren eine Rede gehalten. Erlend hatte den Applaus entgegengenommen, alle Blicke erwidert, sich bedankt und gespürt, wie sein Hals sich zusammengezogen hatte, als er, ganz den Traditionen des Kriminalamts entsprechend, seine einfache, kurze und auf Tatsachen basierende Dankesrede gehalten hatte. Als Ermittler hatte er seine Höhen und Tiefen erlebt, wobei ihm die ganz großen Fehler erspart geblieben waren. Auf jeden Fall soweit er wusste, ganz sicher konnte man sich ja nie sein. Ein paar Fragen waren nie endgültig beantwortet worden. Fragen, auf die man jetzt, da die DNA -Analysetechnik so weit fortgeschritten war, dass die Polizeileitung angedeutet hatte, ein paar alte Fälle wieder aufrollen zu wollen, Antworten zu bekommen riskierte. Unerwartete Antworten. Ergebnisse. Solange es sich um ungeklärte Fälle handelte, war das natürlich in Ordnung, aber Erlend verstand nicht, wieso man Ressourcen darauf verwenden wollte, in alten,

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