Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
mit Blut und Haaren von den Ermordeten, eine Säbelsäge mit Beate Lønns DNA , einen Spaten mit Erd- und Lehmresten, die zu der Erde auf dem Friedhof Vestre Gravlund passten, Kabelbinder, Polizeiabsperrband, wie es am Tatort in Drammen gefunden worden war, und Stiefel mit dem Profil, das sie am Tryvann aufgenommen hatten. Sie hatten alles. Keine offenen Fragen. An diesem Punkt hatte nur noch der Bericht ausgestanden. Der Fall war abgeschlossen. Danach folgte, wovon Harry so oft gesprochen hatte, was Bjørn Holm bis dahin aber noch nie erlebt hatte – die Leere.
Weil es plötzlich keine Fortsetzung mehr gab.
Nicht, wie wenn man ein Ziel erreicht hatte, in einen Hafen oder Bahnhof eingefahren war.
Sondern so, als würden die Schienen, der Asphalt, die Brücke plötzlich unter einem verschwinden. Als ob der Weg mit einem Mal zu Ende und vor einem nichts als Leere war.
Abgeschlossen. Er hasste dieses Wort.
Deshalb hatte er sich aus purer Verzweiflung noch mehr in die Ermittlung der urspünglichen Morde verbissen. Und das gefunden, wonach er gesucht hatte, den Link zwischen dem Mord an dem Mädchen am Tryvann, Judas Johansen und Valentin Gjertsen. Ein Viertel-Fingerabdruck, der nicht zugewiesen werden konnte, mit dreißigprozentiger Wahrscheinlichkeit aber passte, was nicht zu verachten war. Nein, die Sache war nicht abgeschlossen. Sie war nie abgeschlossen.
»Jetzt fangen sie an.«
Es war Katrine. Ihre Lippen berührten fast sein Ohr. Die Orgel schwoll an, wurde zu Musik, einem Lied, das er kannte. Bjørn schluckte beklommen.
Gunnar Hagen schloss für einen Moment die Augen und lauschte nur der Musik. Er wollte nicht denken, aber die Gedanken ließen sich nicht ausblenden. Der Fall war beendet. Alles war beendet. Sie hatten begraben, was begraben werden musste. Aber trotzdem war da etwas, das er nicht greifen und wohl niemals unter die Erde bringen konnte. Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, es nie auch nur erwähnt, weil man es jetzt für nichts mehr gebrauchen konnte. Die Worte, die Asajev ihm mit heiserer Stimme zugeflüstert hatte, als er die wenigen Sekunden in seinem Krankenzimmer gewesen war: »Was können Sie mir anbieten, wenn ich Ihnen anbiete, eine Aussage gegen Isabelle Skøyen zu machen?« Und: »Ich weiß nicht, wer es ist, aber ich weiß, dass sie mit einem hohen Tier bei der Polizei zusammengearbeitet hat.«
Die Worte waren das Echo eines toten Mannes. Nicht zu beweisende Behauptungen, die jetzt, da Skøyen nicht mehr im Amt war, mehr schaden als nutzen konnten.
Deshalb hatte er sie für sich behalten.
Und deshalb würde er sie auch weiterhin für sich behalten.
Wie Anton Mittet diesen verfluchten Schlagstock.
Die Entscheidung war gefallen, hielt ihn nachts aber noch immer wach. Ich weiß, dass sie mit einem hohen Tier bei der Polizei zusammengearbeitet hat.
Gunnar Hagen öffnete die Augen wieder.
Ließ den Blick langsam über die Versammlung gleiten.
Truls Berntsen saß bei heruntergelassenem Fenster in seinem Suzuki Vitara, so dass er die Orgelmusik aus der kleinen Kirche hörte. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Es war warm und unangenehm. Oppsal hatte ihm noch nie gefallen. Nur Pöbel. Außerdem hatte er hier reichlich Prügel bezogen. Wenn auch nicht so viel wie in der Hausmanns gate. Zum Glück hatte es schlimmer ausgesehen, als es war. Und im Krankenhaus hatte Mikael ihn damit getröstet, dass das mit dem Gesicht ja nicht so schlimm sei, wenn man vorher schon so hässlich wie er gewesen sei, und wo kein Hirn sei, könne eine Gehirnerschütterung ja auch keinen Schaden anrichten.
Natürlich war das ein Witz gewesen, und Truls hatte sich auch an seinem Schnauben versucht, um ihn zu honorieren, aber der gebrochene Kiefer und das zerschmetterte Nasenbein hatten zu weh getan.
Er nahm noch immer starke Schmerzmittel, sein ganzer Kopf war verpflastert, und natürlich durfte er noch nicht Auto fahren, aber was sollte er tun? Er konnte doch nicht einfach zu Hause rumsitzen und darauf warten, dass der Schwindel verschwand und seine Wunden verheilt waren. Megan Fox hatte begonnen, ihn zu langweilen, und eigentlich hatte der Arzt ihm auch das Fernsehen verboten. Da konnte er doch ebenso gut hier sitzen. In einem Auto vor einer Kirche, um … Ja, um was zu tun? Um einem Mann Respekt zu erweisen, für den er nie Respekt empfunden hatte? Eine leere Geste für einen verdammten Idioten, der nicht wusste, was für ihn selbst das Beste war, sondern stattdessen das Leben
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