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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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sollen.
    Sie wartete. Wie alle anderen in der Kirche von Oppsal. Es wurde gehustet. Warum mussten die Menschen immer husten, wenn sie in eine Kirche kamen? Schnürten Kirchenräume den Menschen den Hals zu? Oder wurde ihre Angst, Geräusche zu machen, die durch die Akustik verstärkt werden würden, zu einem Motor für eine Art Zwangshandlung? Vielleicht war es auch nur ein natürlicher Reflex, aufgestaute Gefühle loszuwerden, sie auszuspucken, statt unter Tränen oder Lachen zusammenzubrechen.
    Katrine sah sich um. Es waren nicht viele gekommen, nur die Allernächsten. So wenige wie mit ihrem ersten Buchstaben in Harrys Handy gespeichert waren. Sie sah Ståle Aune. Ausnahmsweise einmal mit Schlips. Seine Frau. Gunnar Hagen, auch mit Frau.
    Sie seufzte. Sie hätte sich wirklich was Wärmeres anziehen sollen. Bjørn in seinem dunklen Anzug schien nicht zu frieren. Sie hatte nicht gewusst, dass er in einem Anzug so gut aussah. Sie wischte über seinen Kragen. Nicht weil dort etwas gewesen wäre, sondern weil sie die Geste mochte. Eine intime Liebesbekundung. Wie Affen, die sich gegenseitig lausen.
    Der Fall war gelöst.
    Einen Moment lang hatten sie gefürchtet, ihn verloren zu haben, dass Arnold Folkestad – jetzt auch bekannt als der Polizeischlächter – entkommen war, sich ins Ausland abgesetzt oder irgendeinen Unterschlupf auf dem Land gefunden hatte. Aber das hätte schon ein tiefes, dunkles Loch sein müssen, da im Laufe von nur vierundzwanzig Stunden die Fahndungsmeldung so gründlich über alle Medien verbreitet worden war, dass es niemanden im ganzen Land gab, der nicht wusste, wer Arnold Folkestad war und wie er aussah. Katrine erinnerte sich daran, wie nah sie ihm im Laufe der Ermittlungen gekommen waren, als Harry sie gebeten hatte, alle Verbindungen von René Kalsnes mit Polizisten herauszusuchen. Hätte sie damals die Suche auf ehemalige Polizisten ausgeweitet, hätte sie Arnold Folkestads Beziehung zu dem jungen Mann entdeckt.
    Sie beendete das Wischen auf Bjørns Kragen, und er lächelte sie dankbar an. Ein schnelles, verkrampftes Lächeln. Nur ein leichtes Zittern der Kinnpartie. Gleich würde er zu weinen anfangen. An diesem Tag würde sie Bjørn Holm zum ersten Mal weinen sehen. Sie hustete.
    Mikael Bellman setzte sich auf den äußersten Platz der Reihe. Sah auf die Uhr.
    In einer Dreiviertelstunde hatte er das nächste Interview. Stern . Eine Million Leser. Wieder ein ausländischer Journalist, der die Geschichte hören wollte, wie der junge Polizeipräsident Woche um Woche, Monat um Monat unermüdlich gearbeitet hatte, um den Mörder zu fassen, und dann am Ende selbst Opfer des Polizeischlächters wurde. Und Mikael würde wieder diese kleine Pause einlegen, bevor er sagte, dass das Auge, das er geopfert hatte, ein kleiner Preis für das war, was er erreicht hatte: Er hatte den irren Mörder daran gehindert, noch weitere seiner Männer zu töten.
    Mikael Bellman zog den Ärmel seines Hemdes über die Uhr. Sie hätten längst anfangen sollen, worauf warteten sie? Er hatte sich lange überlegt, was er an diesem Tag anziehen sollte. Schwarz, passend zur Gelegenheit und der Augenklappe? Diese Klappe war ein Glücksfall, sie erzählte seine Geschichte nach außen so dramatisch und effektiv, dass er laut Aftenposten in diesem Jahr der im Ausland am häufigsten abgelichtete Norweger war. Oder sollte er sich für etwas Dunkles, Neutraleres entscheiden, das in dem anschließenden Interview nicht so auffallen würde? Außerdem musste er ja direkt vom Interview zur Senatssitzung, weshalb Ulla den neutraleren Anzug vorgezogen hatte.
    Mist, wenn die jetzt nicht anfingen, würde er zu spät kommen. Er horchte in sich hinein. Fühlte er etwas? Nein. Was sollte er fühlen? Schließlich ging es um Harry Hole, nicht gerade sein engster Freund, ja nicht einmal ein Mitarbeiter des Polizeidistrikts Oslo. Da aber draußen die Presse warten konnte, machte es sich PR-mäßig gut, in der Kirche gewesen zu sein. Schließlich war nicht wegzudiskutieren, dass Hole als Erster seinen Finger auf Folkestad gerichtet hatte, und das war nun unweigerlich eine Verbindung zwischen Harry und ihm. Die PR würde von nun an noch wichtiger sein. Er wusste bereits, worum es in der Sitzung mit dem Senat gehen würde. Die Partei hatte mit Isabelle Skøyen eine profilierte Persönlickeit verloren und war auf der Suche nach Ersatz. Eine populäre, respektierte Gestalt, die sie gerne in ihrem Team hätten, um die Geschicke der Stadt zu

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