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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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es aufgegeben, mit Mendelssohn und dem Organisten Schritt halten zu wollen, und für Rakel war das in Ordnung, sie musste bei jedem seiner Schritte ohnehin zwei machen. Sie hatten beschlossen, dass Oleg eine Doppelfunktion haben sollte. Eigentlich eine vollkommen logische Entscheidung. Oleg sollte sie zum Altar führen, sie Harry übergeben und dann als ihr Trauzeuge fungieren.
    Harry selbst hatte niemanden. Das heißt, er hatte die, für die er sich am Anfang entschieden hatte. Der Stuhl des Trauzeugen auf seiner Seite des Altars war leer, aber auf der Sitzfläche stand ein Bild von Beate Lønn.
    Jetzt waren sie angekommen. Und Harry hatte sie auf dem ganzen Weg nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen.
    Sie hatte nie verstanden, wie ein Mann mit einem derart niedrigen Ruhepuls, der tagelang in seiner eigenen Welt versunken sein konnte, ohne zu reden und ohne dass etwas geschah, einfach einen Schalter umlegen konnte, so dass plötzlich alles – jede tickende Sekunde – ganz scharfe Konturen bekam, und man jede Zehntel-, Hundertstelsekunde mit ihm unendlich intensiv erlebte. Wie er mit ruhiger, rauer Stimme und ganz wenigen Worten im Laufe eines siebengängigen Menüs mehr Emotionen, Informationen, Verwunderung, Bosheit und Intelligenz ausdrückte als all die Schwätzer, die sie kannte.
    Und dann war da dieser Blick. Der sie auf seine empfindsame, fast schüchterne Art einfach nur festhielt und zwang, da zu sein.
    Rakel Fauke würde den Mann heiraten, den sie liebte.
    Harry sah sie an. Sie war so schön, dass ihm die Tränen kamen. Das hatte er wirklich nicht erwartet. Nicht dass sie schön war; es verstand sich von selbst, dass Rakel Fauke in einem weißen Brautkleid atemberaubend gut aussehen würde. Aber dass er so reagieren würde. Er hatte sich am meisten davor gefürchtet, dass es zu lange dauern oder der Pastor zu vergeistigt oder fromm daherreden würde. Dass er wie üblich bei Anlässen, die an die wirklich großen Gefühle appellierten, immun war, taub, ein kühler, etwas enttäuschter Beobachter der Gefühlsregungen der anderen und seiner eigenen Nüchternheit. Aber er hatte sich fest vorgenommen, seine Rolle so gut wie möglich zu spielen. Schließlich hatte er selbst auf dieser kirchlichen Trauung bestanden. Und jetzt stand er hier und hatte Tränen in den Augen. Echte, dicke, salzige Tränen. Harry kniff die Augen zusammen, und Rakel sah ihn an. Nicht mit einem Jetzt-sehe-ich-dich-an-und-alle-Gäste-sehen-dass-ich-dich-ansehe-und-deshalb-versuche-ich-glücklich-auszusehen-Blick.
    Sondern mit dem Blick eines Mannschaftskameraden.
    Dem Blick eines Menschen, der dir sagt, das kriegen wir hin, du und ich. Let’s put on a show .
    Dann lächelte sie. Und Harry bemerkte, dass auch er lächelte, ohne zu wissen, wer von ihnen beiden damit angefangen hatte. Sie zitterte leicht, ein innerliches Lachen, das immer stärker wurde, bis es irgendwann rausmusste. Ernste Situationen hatten bei ihr häufig diese Wirkung. Wie auch bei ihm, weshalb er, um nicht zu lachen, zu Oleg sah. Aber auch von dort war keine Hilfe zu erwarten, da auch er aussah, als würde er jeden Moment losprusten. Harry rettete sich für den Moment, indem er den Blick niederschlug und die Augen zukniff.
    Was für eine Mannschaft, dachte Harry stolz und richtete seinen Blick auf den Pastor.
    Diese Mannschaft hatte den Polizeischlächter besiegt.
    Rakel hatte die SMS verstanden. Lass Oleg das Geschenk nicht sehen . Vertraut und simpel genug, damit Arnold Folkestad kein Misstrauen schöpfte. Und klar genug, damit Rakel verstand, was er wollte. Der alte Geburtstagstrick.
    Als er ins Haus gekommen war, hatte sie ihn umarmt und sich das geschnappt, was hinter seinem Rücken unter dem Gürtel klemmte. Danach war sie mit den Händen vor dem Körper einen Schritt zurückgetreten, so dass der, der hinter ihr stand, nicht sehen konnte, dass sie etwas in den Händen hielt. Eine geladene, entsicherte Odessa.
    Erstaunlicher war, dass auch Oleg verstanden hatte. Er war still gewesen, wusste, dass er nicht stören durfte, was gerade ablief. Was nur bedeuten konnte, dass er diesen Geburtstagstrick schon immer durchschaut hatte, ohne jemals ein Wort gesagt zu haben. Was für eine Mannschaft.
    Sie hatten Arnold dazu gebracht, zu Harry zu treten, so dass Rakel blitzschnell hinter ihm war und aus nächster Nähe den Schuss auf Folkestads Schläfe abfeuern konnte, als dieser Harry erschießen wollte.
    Eine verdammt unüberwindliche Siegertruppe, anders konnte man

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