Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
lenken. Bei seinem Anruf hatte der Senatsleiter ihn zuerst nur gelobt und darauf hingewiesen, wie sympathisch und reflektiert er in dem Porträt im Magazin gewirkt habe. Und dann hatte er ihn gefragt, ob das politische Programm der Partei weitestgehend mit Mikael Bellmans eigenen politischen Standpunkten harmonierte.
Harmonierte.
Die Geschicke der Stadt.
Mikael Bellmans Stadt.
Jetzt fangt doch endlich mit dem Orgelvorspiel an.
Bjørn Holm spürte Katrine in seinem Arm zittern, den kalten Schweiß unter seinem Anzug, und dachte, dass es ein langer Tag werden würde. Ein langer Tag, bis er und Katrine die Kleider ablegen und ins Bett kriechen konnten. Gemeinsam. Ihr Leben weiterleben. Wie das Leben für alle weiterging, die noch da waren, ob sie nun wollten oder nicht. Und als er seinen Blick über die Bankreihen schweifen ließ, dachte er an all jene, die nicht mehr da waren. An Beate Lønn. An Erlend Vennesla, Anton Mittet, an die Tochter von Roar Midtstuen, und an Rakel und Oleg Fauke, die auch nicht anwesend waren. Sie hatten einen hohen Preis dafür bezahlt, sich mit dem Mann verbunden zu haben, der jetzt vorne vor dem Altar platziert worden war. Harry Hole.
Und auf seltsame Weise war es, als ob der da vorn weiterhin das war, was er immer gewesen war, ein schwarzes Loch, das alles Gute, das ihn umgab, in sich saugte und die Liebe verzehrte. Die Liebe, die ihm gegeben wurde, ebenso wie die, die ihm verwehrt wurde.
Katrine hatte ihm gestern, nachdem sie ins Bett gegangen waren, erzählt, dass auch sie einmal in Harry Hole verliebt gewesen war. Nicht weil er es verdient hatte, sondern weil es unmöglich gewesen war, ihn nicht zu lieben. Ebenso unmöglich, wie ihn einzufangen, zu behalten und mit ihm zu leben. Ja, doch, sie hatte ihn geliebt. Aber die Liebe war vorübergegangen, das Begehren etwas abgekühlt. Die kleine Narbe, die von dem Liebeskummer geblieben war, den sie mit vielen Frauen teilte, würde aber immer da sein. Er war einer, der ihnen für eine kurze Zeit geliehen worden war. Und jetzt war es vorbei. Bjørn hatte sie an diesem Punkt gebeten, nicht weiterzusprechen.
Die Orgel setzte ein. Bjørn hatte schon immer eine Schwäche für Orgeln gehabt. Mutters Heimorgel zu Hause in Skreia, die B3-Orgel von Gregg Allman, die knarrenden Blasebälge alter Orgeln, die einen Psalm spielten. Das war, wie in einer mit warmen Tönen gefüllten Badewanne zu sitzen und zu hoffen, dass die Tränen nicht die Überhand gewannen.
Sie hatten Arnold Folkestad nicht gefasst, das hatte er selbst erledigt.
Vermutlich hatte er das Gefühl gehabt, seinen Auftrag vollendet zu haben, und damit auch sein Leben, weshalb er das einzig Logische getan hatte. Drei Tage hatte es gedauert, bis sie ihn gefunden hatten. Drei Tage der verzweifelten Suche. In dieser Zeit schien das ganze Land auf den Beinen gewesen zu sein. Vielleicht war es deshalb wie eine Antiklimax gewesen, als die Meldung kam, dass sie ihn in einem Wald im Maridalen entdeckt hatten, nur hundert Meter von der Stelle entfernt, an der Erlend Vennesla gefunden worden war. Mit einem kleinen, beinahe diskreten Loch im Kopf und einer Pistole in der Hand. Sein Wagen hatte sie auf die Spur gebracht, der alte Fiat war auf einem Wanderparkplatz entdeckt worden.
Bjørn selbst hatte die Spurensicherung geleitet. Arnold Folkestad hatte im Heidekraut auf dem Rücken gelegen und dabei so unschuldig ausgesehen. Er lag unter einem kleinen Stück offenem Himmel, ungeschützt von den umstehenden Bäumen. In seinen Taschen hatten sie Schlüssel gefunden, unter anderem für den Fiat und das Schloss der gesprengten Wohnung in der Hausmanns gate 92, eine ziemlich verbreitete Glock 17, vielleicht als Alternative zu der Waffe, die er in der Hand gehalten hatte, und ein Portemonnaie, in dem unter anderem das abgegriffene Foto eines jungen Mannes steckte, in dem Bjørn sogleich René Kalsnes erkannt hatte.
Da es seit mindestens einem Tag ununterbrochen geregnet und die Leiche schon drei Tage unter offenem Himmel gelegen hatte, waren nicht mehr viele Spuren zu finden gewesen. Aber das machte nichts, sie hatten, was sie brauchten. An der Haut rund um das Einschussloch waren Schmauchspuren, und die Ballistik ergab, dass die Kugel in seinem Kopf aus der Waffe stammte, die er in der Hand hielt.
Deshalb hatte man sich bei den Ermittlungen nicht darauf konzentriert, sondern auf sein Haus, in dem sie so gut wie alles gefunden hatten, um die Polizistenmorde endgültig aufzuklären. Schlagstöcke
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