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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Mannes waren immer noch bohrend auf sie gerichtet. Der unvermeidliche Glimmstengel hing ihm aus dem rechten Mundwinkel. Irgendwie erinnerte er Susan an den Glöckner von Notre-Dame, nur der Buckel fehlte: ein Ausgestoßener, der im Memorial ein Schattendasein führte und in die Leuchtröhrenwelt nicht zu passen schien. Susan versuchte immer wieder, ihre Augen abzuwenden, aber der Blick des seltsamen Mannes hielt sie magisch fest. Sie war froh, als Bellows das Zeichen zum Aufbruch gab. Die Tür war in der Nähe des Spülbeckens, und als sie gingen, hatte Susan das Gefühl, daß sie Walters direkt in die Augen lief. Walters hustete, und ein Rasseln kam aus der Tiefe seiner Brust. »Schreckliches Wetter heute, Miss«, sagte er zu Susan.
    Sie gab keine Antwort und war erleichtert, dem starrenden Blick zu entkommen. Das Gebaren des Mannes trug auf seltsame Weise zu ihrer steigenden Aversion gegenüber dem chirurgischen Betrieb im Memorial bei.
    Als nächstes stand ein Besuch der Intensivstation auf dem Programm. Als sich die übergroßen Türen hinter der Gruppe schlossen, fühlten sich die Studenten von der normalen Welt abgeschnitten. Sobald sich ihre Augen an die gedämpfte Beleuchtung gewöhnt hatten, sahen sie sich mit einer fremdartigen, fast surrealistischen Umwelt konfrontiert. Die üblichen Geräusche wie Stimmen und Schritte wurden von der schalldämmenden Decke weitgehend absorbiert. Dafür beherrschten mechanische und elektronische Laute die akustische Szene, über allem das rhythmische Piepen der Herzmonitoren und das Zischen der Respiratoren. Die Patienten befanden sich in abgetrennten Alkoven, lagen in hohen Betten mit aufgestelltem Seitengitter. Über ihnen wuchsen abstrakte Bäume mit Infusionsflaschen und einem Gewirr herabhängender Schläuche, durch Nadeln mit den Venen verbunden. Mehrere Patienten waren wie Mumien in dicke Bandagen gewickelt. Einige lagen wach. Ihre unsteten Blicke verrieten Angst, Angst um das nackte Leben, und die nahe Grenze zum Wahnsinn unter dieser psychischen Belastung.
    Susan machte den Versuch, sich trotz der verwirrenden Eindrücke optisch zu orientieren. Ihr Blick fiel auf die fluoreszierenden Punkte, die über die Monitoren rasten. Ihr ging auf, wie wenig sie mit all dem anfangen konnte: Im gegenwärtigen Zustand ihrer Unkenntnis bedeutete die Vielzahl der Instrumente ein undurchdringliches Labyrinth. Und dann die Infusionsflaschen mit ihren komplizierten Etiketten, aus denen die Zusammensetzung der lebenserhaltenden Flüssigkeiten abzulesen sein sollte. Das Gefühl der Unzulänglichkeit überfiel Susan und die anderen Studenten fast wie Übelkeit. Es kam ihnen vor, als wären die beiden ersten Jahre ihres Medizinstudiums umsonst gewesen.
    Unwillkürlich rückten die fünf jungen Leute näher zusammen, als könnte ihnen dieses Zusammensein wenigstens eine Spur von Halt geben. Wie junge Hunde folgten sie Bellows zu einem der Kontrollpulte.
    »Mark«, sprach eine der Schwestern den jungen Arzt an. Sie hieß June Shergood. Unter der üppigen Pracht dichten blonden Haars blickten gewitzte Augen durch dicke Brillengläser. Sie war attraktiv, das konnte ihr niemand absprechen, und Susans innere Antenne registrierte sofort einen gewissen Unterschied in Mark Bellows’ Auftreten.
    »Wilsons Herz hat ein paar Extratouren gemacht, und ich hab’ Daniel gesagt, wir sollten ihn an einen Lidocain-Tropf hängen.« Sie ging zum Pult. »Aber unser guter Daniel konnte sich wieder mal nicht entschließen, oder … Ich weiß auch nicht.« Sie hielt Bellows das EKG-Blatt hin. »Sehen Sie sich das mal an.«
    Bellows gehorchte. »Nein, da nicht, Sie zerstreuter Professor«, reagierte Miss Shergood. »Das da sind seine üblichen Werte. Hier … hier steckt der Teufel drin.« Sie zeigte auf die betreffenden Stellen der gezackten Linie und sah erwartungsvoll zu Bellows auf.
    »Das schreit wohl wirklich nach dem Tropf«, pflichtete er ihr mit einem Grinsen bei.
    »Darauf können Sie wetten«, meinte die Schwester. »Ich hab’ ihn schon zurechtgemixt, und zwar so, daß ich zwei Milligramm pro Minute mit der entsprechenden Lösung geben kann. Die Pulle hängt bereits, und ich kann sie gleich anschließen. Und wenn Sie die Order ausschreiben, können Sie gleich mit aufnehmen, daß ich ihm eine Dosis von fünfzig Milligramm verpaßt hab’, als ich merkte, was los war. Außerdem sollten Sie mal ein Wort mit Cartwright reden. Wissen Sie, das ist jetzt das vierte Mal bei ihm. Ich meine, daß er sich zu

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