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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Flüssigkeitshaushalt mußten auf dem richtigen Stand gehalten werden, der Urin mußte abfließen, Bakterien bedeuteten eine Gefahr. Nancy Greenly sollte nicht sterben, das wollte er nicht, schon gar nicht, während sie seiner Obhut unterlag. Denn ihr Tod hätte seinen ärztlichen Fähigkeiten nicht eben ein gutes Zeugnis ausgestellt, und Stark würde in diesem Fall einiges anzumerken haben. Bellows erinnerte sich nur zu gut an Starks Kommentare, als dem unglückseligen Johnston ein ähnlicher Fall unter den Händen weggestorben war.
    Nicht, daß menschliches Empfinden Bellows fremd gewesen wäre, er hatte nur einfach keine Zeit dafür. Allein die Vielzahl der Fälle dämpfte sein Mitgefühl: Ständige Wiederkehr macht stumpf. Wie sollte Bellows auch auf die Idee kommen, Vergleiche zwischen dem Alter von Nancy Greenly und Susan Wheeler anzustellen? Und der Schock, den erste Klinikerlebnisse auf das Seelenleben junger Studenten ausüben konnten, war eine Sache, die Bellows längst vergessen hatte.
    »Und jetzt können wir hoffentlich ungestört weitermachen, wird, verdammt noch mal, Zeit.« Bellows zog seinen Stuhl dichter an das Pult, fuhr sich nervös durch das Haar und sah auf die Uhr. »Okay. Also bei einem Viertel Kochsalzlösung, wie hoch ist dann …«
    Susan bekam kein Wort mit, sie war wie in Trance. Ein innerer Drang trieb sie vom Pult weg und hinüber zu Nancy Greenly. Sie bewegte sich langsam und vorsichtig, als näherte sie sich einem gefährlichen Gegenstand, nahm jedes Detail in sich auf. Nancy Greenlys Augen waren nur halb geschlossen. Das Gesicht unter dem dunkelbraunen Haar war marmorweiß. Der Mund mit den vor Trockenheit an mehreren Stellen aufgeplatzten Lippen wurde von einem Plastikmundstück offengehalten, damit sie nicht auf die Atemröhre biß. Auf den Vorderzähnen sah man bräunliche Rückstände von getrocknetem Blut.
    Susan, die leichte Übelkeit aufsteigen fühlte, wandte den Blick ab, mußte aber gleich wieder hinsehen. Der Anblick dieses Individuums, das vor kurzem noch eine normale junge Frau gewesen war, wühlte sie innerlich auf. Es war nicht einfach Trauer oder Mitgefühl; der fast körperliche Schmerz entsprang der Erkenntnis von der Bedeutungslosigkeit eines menschlichen Lebens, das so leicht seiner Wurzeln beraubt werden konnte. Susan fühlte sich hilflos und ohne Hoffnung. Die Gedanken hetzten durch ihr Hirn, trieben ihr den Schweiß auf die Handflächen.
    Vorsichtig griff Susan nach einer Hand von Nancy Greenly, hob sie hoch. Sie war unerwartet kalt und völlig schlaff. Lebte sie, oder war sie vielleicht schon tot? schoß es Susan durch den Kopf. Doch vom Kopfende her war das elektronische Piepen des Herzmonitors zu hören, auf dem Schirm zog der Funken aufgeregt seine Zickzackbahn.
    »Ich muß wohl annehmen, daß Sie mit dem Flüssigkeitshaushalt auf du und du stehen, Miss Wheeler.« Die Stimme von Dr. Bellows direkt neben ihr weckte sie aus ihrer Hypnose. Vorsichtig legte sie Nancy Greenlys Hand zurück auf das Bettuch. Zu ihrem Erstaunen bemerkte Susan, daß sich die Gruppe inzwischen am Bett der komatösen Patientin versammelt hatte.
    »Also«, sagte Bellows, »bitte alle mal hersehen. Das hier ist der Zugang zum zentralen Venendruck.« Er hob den Schlauch an, dessen Ende in Nancy Greenlys Hals verschwand. »Wir halten ihn zur Zeit nur offen. Die Infusion läuft hier drüben ein. Dort hängen wir den Tropf mit der von uns eben ausgerechneten Zusammensetzung an.«
    Bellows machte eine Pause und starrte nachdenklich die leblose Nancy Greenly an. »Cartwright«, sagte er dann, »auf jeden Fall heute Urinuntersuchung anordnen. Außerdem sorgen Sie bitte dafür, daß die täglichen Bluttests beibehalten werden. Ach ja, und bitte nehmen Sie den Magnesiumspiegel dazu.«
    Cartwright kritzelte fieberhaft auf der Karteikarte, die er für die Patientin Greenly angelegt hatte. Fast geistesabwesend nahm Bellows seinen Reflexhammer und testete den Reflex an Nancy Greenlys Beinen, ohne Ergebnis.
    »Warum haben Sie keine Luftröhrenfistel angelegt?« erkundigte sich Fairweather.
    Bellows sah zu ihm auf, überlegte, meinte dann: »Eine sehr gute Frage, Mr. Fairweather.« Er wandte sich an Cartwright. »Wieso haben wir keine Tracheotomie durchgeführt, Daniel?«
    Cartwright blickte erst auf die Patientin, dann auf Bellows, schließlich auf seine Karteikarte, wohl wissend, daß die Antwort dort auch nicht stand.
    Bellows sah wieder Fairweather an. »Wirklich eine gute Frage, Mr. Fairweather.

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