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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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der tiefsten menschlichen Tragödie über den Flüssigkeitshaushalt des Organismus dozieren konnte. Am Vortag hatte Susan das unmöglich gefunden, aber jetzt, in ihren Wachträumen auf der Hintertreppe, geriet ihr Urteil ins Wanken. Ob sie selbst, wenn die Lage es erforderte, zu ähnlicher Sachlichkeit fähig war? Irgendwo über Susan ging eine Treppenhaustür auf. Das Geräusch brachte sie auf die Beine. Auf den Metallstufen erklangen eilige Fußtritte. Dann klappte eine zweite Tür, und es kehrte wieder Stille ein. Die rohen Zementwände des Treppenhauses mit den senkrechten rostfarbenen Wasserstreifen wirkten von Minute zu Minute deprimierender auf sie. Immer stärker empfand sie das Gefühl der Isoliertheit. Langsam, wie im Zeitlupentempo stieg sie einen Absatz tiefer und hob ihr Notizbuch auf. Durch Zufall war es an der Stelle aufgeklappt, wo sie Nancy Greenlys Krankenblatt kopiert hatte. Sie las in ihrer eigenen Handschrift: »Alter 23 Jahre, persönliche Krankengeschichte unauffällig, abgesehen von Mononukleose mit 18.« Gleich sah sie Nancy Greenlys wachsbleiches Gesicht wieder vor sich. »Alter dreiundzwanzig Jahre«, sagte Susan laut vor sich hin und wußte, sie würde das Koma-Phänomen weiter verfolgen, bis zur Grenze ihrer physischen und psychischen Kräfte; Harris und Nelson konnten sie nicht aufhalten. Plötzlich spürte sie, daß sie Bellows finden mußte. Sie fragte sich nicht, woher die plötzliche Sehnsucht nach ihm kam. Innerhalb eines Tages hatte sich ihre Einstellung ihm gegenüber völlig verändert.
     
    »Um Gottes willen, Susan, haben Sie denn noch nicht genug?« Mit den Fingern massierte sich Bellows leicht die geschlossenen Augen. Zwischen den Fingern hindurch sah er Susan schließlich an, die ihm im Café des Krankenhauses gegenübersaß. Der Raum mit den unpersönlich modernen Möbeln wirkte relativ sauber und gepflegt. Das Café war vor allem für Besucher bestimmt, aber auch das Personal suchte dort von Zeit zu Zeit Zuflucht. Hier war es zwar teurer als in der Cafeteria, aber auch um vieles angenehmer. Um halb zwölf Uhr mittags herrschte großer Andrang, doch Susan hatte einen freien Ecktisch gefunden und Bellows ausrufen lassen. Daß er sofort erschienen war, nahm sie mit dankbarer Freude zur Kenntnis.
    »Susan«, fuhr Bellows nach einer Pause fort, »Sie müssen diesen selbstzerstörerischen Kreuzzug aufgeben. Verstehen Sie doch, das ist sicherer Selbstmord. Susan, eines müssen Sie in der Medizin kapieren: Wer nicht mit dem Strom schwimmt, ertrinkt. Ich hab’ das selbst mühsam gelernt. Himmel, was ist nur in Sie gefahren, einfach so zu Harris zu gehen, und das nach der Szene von gestern?«
    Schweigend nippte Susan am heißen Kaffee, den Blick auf Bellows gerichtet. Er sollte ruhig weitersprechen, in ihren Ohren klang das gut, ihr Schicksal schien ihm nicht gleichgültig zu sein. Andererseits wollte sie aber auch, daß er sich für die Sache engagierte, sofern ihm das überhaupt möglich war. Bellows schüttelte den Kopf und widmete sich seinem Kaffee.
    »Harris ist sehr einflußreich hier, aber nicht allmächtig«, sagte Bellows. »Stark kann jede seiner Entscheidungen rückgängig machen, wenn er einen Grund dafür sieht. Stark hat die meisten Gelder für die Bauten hier aufgetrieben, Millionen und aber Millionen. Also gilt sein Wort im Memorial. Warum geben Sie ihm nicht ein Motiv, sich für Sie einzusetzen? Warum benehmen Sie sich nicht wie eine normale Studentin, wenigstens ein paar Tage lang? Verdammt, das würde mir selbst ungeheuer guttun. Raten Sie mal, wer heute morgen bei der Visite erschien, um die neuen Studenten zu begrüßen? Stark natürlich. Und das erste, was er fragte, war, warum nur drei von fünf anwesend waren. Na schön, ich hab’ ihm gesagt, blöderweise hätte ich euch alle gleich am ersten Tag zu einer Operation mitgenommen, und einer von euch wäre zusammengeklappt. Dreimal dürfen Sie raten, wie ich damit bei ihm ankam. Und dann fiel mir bei Ihnen absolut keine Ausrede ein. Also erklärte ich ihm, Sie hätten sich in der Fachliteratur vergraben und forschten über Koma im Zusammenhang mit Anästhesie. Ich dachte, wenn ich schon keine Lüge parat hätte, könnte ich gleich die Wahrheit sagen. Natürlich war er sofort davon überzeugt, daß ich selbst Sie auf die Sache angesetzt hätte. Ich übertreibe also nicht, wenn ich sage, daß es für mich fast lebenswichtig ist, daß Sie sich jetzt wie eine normale Medizinstudentin aufführen. Ich hab’ mich

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