Komische Voegel
Auf der Seite Biographie & Bücher hatten sie gelesen, mein Lieblingstier sei das Okapi.
»Ich dachte, die fiesen Stinkköter in Artis
wären deine Lieblingstiere«, schrieb mein Bruder in seiner Antwortmail. »Die fandest du doch so niedlich.«
Damit liegt er nicht ganz falsch. Ich finde die Afrikanischen Wildhunde sehr niedlich, vor allem, wenn sie im Sand mit einer großen Plastikwanne spielen, bei über dreißig Grad Hitze. Außerdem mag ich ihren Geruch. Ein bißchen scharf und säuerlich; wer an ihrem Gehege vorbeigeht, zieht die Nase kraus, und dauernd hört man: »Boah, was stinken die!«
Aber daß man ein Tier liebt, macht es nicht automatisch zum Lieblingstier. Es gibt noch so viele andere Tiere, die ihre Vorzüge haben. Zum Beispiel das Okapi oder der Tapir. Haushunde. Kattas, Wasserschweine.
Aussterben vor der Kamera
Freitag, 26. März 2004
Der Beutelwolf oder Tasmanische Tiger ( Thylacinus cynocephalus ) war eine Art Quagga, nur in Hundeform. Von der Gestalt her ähnelte er dem Dingo, dem verwilderten Hund Australiens, war aber hellbraun und hatte dreizehn bis neunzehn schokoladefarbene Querstreifen auf dem Rücken. Ein typisch australisches Tier, denn das Weibchen besaß einen Beutel. Ursprünglich kam der Beutelwolf auch auf Neuguinea vor, wo er allerdings schon vor über dreitausend Jahren ausstarb. In Australien starb er ebenfalls aus, gegen den Dingo konnte er sich nicht behaupten. Seine letzte Zuflucht war die Insel Tasmanien. »War«, »besaß«, »ähnelte«. Der Beutelwolf ist nicht mehr.
Auf Tasmanien werden Schafe gehalten. Sie wurden eingeführt, gehören dort also gar nicht hin, genau wie Kaninchen und Schweine, alles Tiere ohne Beutel. Arglose Tiere, die sich leicht überrumpeln und fressen lassen. Der Beutelwolf verspeiste gern das eine oder andere Lämmlein, weshalb man auf seinen Kopf einen Preis aussetzte.
Ich kenne kein anderes Tier, das kurz vor seinem Aussterben gefilmt wurde. Aussterben geht entweder unbemerkt vor sich oder wird noch rechtzeitig registriert, worauf dann Rettungsmaßnahmen ergriffen werden. Nicht bei dem armen Beutelwolf. Das letzte Exemplar verstarb am 7. September 1936 im Zoo von Hobart, Tasmanien. Der Pfleger hatte vergessen, es vor der Mittagshitze einzuschließen. So erlag das Tier einem Hitzschlag. Der Beutelwolf war nachtaktiv.
Einmal habe ich eine Filmaufnahme von dem letzten Beutelwolf gesehen; sie war Teil eines Naturfilms, den ich untertiteln sollte. Schwarzweiß, staubige Sträucher, Gitter und Be
ton, Einsamkeit. Das Männchen wurde Benjamin genannt. Und man konnte einfach nichts mehr tun: Nur noch dieses eine Exemplar war übrig, nirgendwo mehr eine Partnerin zu finden. Es flitzte ständig hin und her, unruhig, gehetzt. Gereizt, das ist das richtige Wort. Als hätte das Tier geahnt, daß es vielleicht das letzte seiner Art war, und nicht verstanden, warum diese Männer in Anzügen rund um sein Gehege – die der Filmer extra zusammengetrommelt zu haben schien – es nicht in die Berge brachten und dort freiließen, damit es nach einem Weibchen suchen konnte, also wenigstens noch eine Chance hatte. Dieser Film war einer der schlimmsten, die ich je sehen mußte.
Rothunde schießen
Freitag, 2. April 2004
Zeitungen wollen gefüllt sein, jeden Tag. Aber wer für eine Zeitung schreibt, lebt für den Moment: Morgen ist, was heute war, schon wieder vergessen. Deshalb findet man als Leser manchmal keinen Follow-up-Bericht (um einen dieser englischen Jargon-Ausdrücke zu gebrauchen) über Ereignisse, die einen berühren. Leser haben ja genug Zeit, sich an gestern und vorgestern zu erinnern. Glücklicherweise hat meine Zeitung den Rothunden oder Asiatischen Wildhunden ausführliche Fortsetzungsberichte gewidmet. Vorige Woche wurde der Ausbruch des gesamten einundzwanzigköpfigen Rudels aus dem Safaripark Beekse Bergen gemeldet. Einige hatte man betäuben und einfangen können, einige waren noch verschwunden und einige abgeschossen worden. Punkt. Gestern (oder vorgestern) folgte ein zwei
ter Bericht mit etwas genaueren Zahlen, und heute, auf Seite 20, das vorläufige Fazit: acht Hunde am Leben, zwanzig erschossen und einer verschwunden (also müssen es insgesamt neunundzwanzig und nicht einundzwanzig Tiere gewesen sein). Alphaweibchen Vera lebt noch. Wolf (Nummer zwei in der Rangfolge) und Spot nicht mehr.
Der Redakteur verspricht uns auf jeden Fall noch einen Bericht. Ist Schiefohr jetzt auch tot? Diese Frage, aus dem Mund eines Mädchens, wird im
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