Komische Voegel
dem bronzenen Fischer auf der Bank. Einige Läden waren noch geöffnet. Ein zu dickes einheimisches Mädchen unterhielt sich mit einem zu dicken Jungen, der in einem Fischrestaurant arbeitete. Am anderen Ende des Damms wurde aufgeräumt. Ich weiß nicht, was man auf den hölzernen Podesten direkt am Damm gefeiert hatte, jedenfalls sah es dort schlimmer aus als in einem Schweinestall, und es stank nach Männerpisse und abgestandenem Bier. So schön das Fest gestern auch gewesen sein mochte, heute war alles vorbei. Frauen nahmen die Zimmer-frei -Schilder von den Hauswänden.
Im vornehmsten Restaurant des Dorfes waren zwei Tische besetzt, zweimal vier adrett gekleidete Leute. Fünf Kilometer und Tausende Mücken weiter südlich lag Monnickendam.
Im IJsselmeer paddelten Hunderte von Bläßhühnern alle in die gleiche Richtung. Marken lag hinter einem Dunstschleier. Neben der Straße nach Zuiderwoude schwamm in einem schlammigen Graben direkt vor einem Büschel Schwanenblumen ( Butomus umbellatus ) ein Schwan. So etwas glaubt einem doch niemand. Ich sah ein sitzendes Schaf, das die Beine gerade nach vorn streckte. Es schrie wie ein Lamm, was bei einem fast ausgewachsenen Tier ganz seltsam klang. Dann hustete es kurz, als bekäme es von dem komischen Sitzen Atembeklemmungen. Ein fröhliches Ehepaar auf Elektromobilen summte vorbei. Graue Wolkenschleier zogen über den Himmel.
Unter anderem ein schielender Kakadu
Donnerstag, 8. September 2005
In den Niederlanden gibt es noch Fuchs- und Nerzfarmen. Für Pelzmantelträgerinnen natürlich. Es gibt sogar Tierärzte, die sich auf Pelztiere spezialisiert haben, vor allem auf die Polarfüchse und Nerze für die Zucht. Der Tierarzt, der mir das erzählte, war außerdem ein Experte für Kaninchen. Im Oktober müsse er zu einem Kaninchenkongreß, in Athen. Er stand mir in der Sonne, und sein Schwanz baumelte bedrohlich in Höhe meines Gesichts (aber wenigstens in einem gewissen Abstand). Um uns herum allerlei Hunde, hauptsächlich Jack Russell Terrier, aber auch ein Riesenschnau
zer. Außerdem ein schielender Kakadu, ein ganz lieber. Und überall nackte Herrchen und Frauchen. Das Meer kam unaufhaltsam näher, wie es bei Flut nun einmal ist.
Aber seine große Liebe sei eigentlich das Dressurreiten. Sagte der Pelztierarzt. Er stand auf überaus vertrautem Fuß mit etlichen niederländischen Dressurgrößen, jedenfalls nannte er sie alle beim Vornamen. »Das geht mir zu weit«, sagte ich. »Springen, okay, aber Passagen, Pirouetten, spanischer Schritt, Piaffen, nein, gefällt mir nicht.«
»So?« sagte er.
»Nein«, antwortete ich. »In England hat sich mal ein Pferd in mich verliebt. Es wollte sich nicht mehr von mir trennen und drängte sich immer wieder mit dem Kopf an meine Beine. Ich habe mich dann auch in dieses Pferd verliebt.«
»So?« sagte er. »Seltsam.«
»Ich hatte mal einen Freund«, fuhr ich fort, »der war auf der Landwirtschaftsschule in Leeuwarden und machte da irgendwas mit Pferden, auch künstliche Befruchtung. Pferde selbst rieche ich gern, sehr sogar, aber wenn er aus dem Stall kam, stank er nach Pferd, und Pferdegeruch an Menschen ist unmöglich.«
»So?« sagte er.
»Ja«, sagte ich. Das Meer kam jetzt über die letzte Sandbank. Wir gingen weiter zurück, um nicht verschlungen zu werden.
»Vielleicht können wir oben noch etwas trinken?« fragte der Pelztierarzt.
»Mal sehen«, antwortete ich.
»Ich habe zu Hause vier Jack Russell«, sagte er.
»Schön«, sagte ich.
»Und zwei Pferde.«
»Natürlich«, sagte ich.
Er legte sich wieder auf seine Klappliege, etliche Meter entfernt.
Es wurde kalt. Auch der Spätsommer ist schön, aber abends nach sechs wird es dann doch schon herbstlich.
Niederländischer Spielfilm mit Tieren
Dienstag, 13. September 2005
Mir fuhr der Schreck in die Glieder: Im Eisbärenbassin schwamm ein Seelöwe. Junge, das ist gefährlich, dachte ich, doch es war kein Eisbär mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatten sie »Nasenentzündungen« gehabt, waren operiert worden und natürlich dabei gestorben. Daß ein schwanzloser Sibirischer Tiger, den man auch operiert hatte, nicht gestorben war, stand eindeutig im Widerspruch zur Artis-Tradition.
Es gibt eine kleine Gruppe von Menschen – ich gehöre dazu –, die fest an eine Verschwörungstheorie glauben: Überzählige Tiere im Amsterdamer Zoo haben plötzlich eine »Ohrenerkrankung« oder eine »eingewachsene Kralle«, müssen dringend unter Vollnarkose untersucht oder operiert
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