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Komische Voegel

Komische Voegel

Titel: Komische Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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brasilianische Pornographie. O Amor Natural hieß der Gedichtband. Pah, von wegen Liebe!
    Aber dann kam der Sonntag abend, der Vorabend des zweitägigen Wettkampfs in der Thialf-Arena.
[ 1 ] Bald würden grüppchenweise die Eislaufkumpel aus Amsterdam eintreffen und der Ruhe ein Ende bereiten. Es war der fünfte Tag. Trudie hatte wenig gegessen und hustete oft bellend. Sie trank dann ein bißchen Wasser aus dem Tümpel, wonach es ihr wieder etwas besserging. An diesem Tag hatte ich einmal ganz kurz Trijnie zu Gesicht bekommen. Es war klar und sonnig, und ich sah sie ziemlich weit entfernt, in Rich
tung Langezwaag, von dem Gras grasen, das noch gar nicht wuchs. Betsie hatte nach wie vor keinen roten Fleck auf ihrem breiten Hinterteil. Kramers Woordenboek war beim Buchstaben F aufgeschlagen, der Eintrag Fantasieblume stand kurz vor der Eliminierung. Eigentlich hatte ich schon beim K sein wollen.
    Und da trudelten sie ein, das Ferienhaus verwandelte sich in ein Eisläuferlager, und der Herdentrieb wurde übermächtig. Als der erste sich setzte, setzten sich alle. Sobald sich einer einen Teller mit Essen holte, holten sich alle einen Teller mit Essen. Dann aßen alle Joghurt und Vla, und dann fingen alle an, ihre Schlittschuhe zu schleifen. Irgendwann sagte einer: »Also, ich geh jetzt schlafen.« Und was passierte? Genau, alle gingen schlafen!
    Draußen war es stockdunkel, durch die beschlagene Scheibe war nichts zu erkennen (wenn einer dampfte, dampften alle), und ich konnte die Schafe, inzwischen so etwas wie Freundinnen, nur erahnen. Aber ich brauchte sie gar nicht zu sehen, um schafiges Verhalten beobachten zu können. Und an den nächsten beiden Tagen wurde es nur noch schlimmer. Auf einen Startschuß hin preschten sämtliche Eisschnelläufer los wie Lämmer, die zur Schlachtbank getrieben werden. Wie zahme Schafe drehten alle die gleichen Runden. Zugegeben, manche liefen schnellere Runden als andere, aber dann dachte ich an Betsie: Bewegte sie sich nicht auch langsamer als die übrigen? Und trotzdem kam sie ans Ziel. Manchmal legte jemand einen slapstickhaften Sturz hin, und dann dachte ich an Trijnie und mußte lächeln. Und wenn ein Mann gierig eine Flasche Isostar leerte, sah ich den Kopf von Trudie vor mir. Sobald einer seine Beinmuskeln dehnte, hoben alle ihre Fersen auf ein Mäuerchen. Alle tranken Kaffee, aßen Käsebrote und bewegten sich im Gän
semarsch durch die Wälder und Felder von Oranjewoud, nur nicht zu Fuß, sondern mit dem Rad.

    Dann kam Tag sieben, und plötzlich waren die Massen wieder fort (wenn einer abreist, reisen alle ab). Ich war ganz allein – ein schwarzes Schaf, ein räudiges Schaf, nein, eher ein verlorenes Schaf – und saß wie zuvor an dem großen hölzernen Eßtisch im Wohnzimmer. Es war still, und durch die kleinen Fensterscheiben fiel Sonnenlicht kariert ins Zimmer. Sehr viele zu streichende Wörter lagen vor mir, ich war immer noch nicht beim K angekommen. Ich schaute hinaus. Der Haufen Silage war bis zur matschigen Erde hinunter weggefressen. Nirgends war eins der weiblichen Schafe zu sehen. Bert lag dort, wo der Haufen gelegen hatte, und starrte mich mißmutig und beleidigt an. Er schien ein wenig kurzatmig zu sein, als wäre sein Deckgeschirr zu stramm angezogen. Ich muß weg, dachte ich, ich muß dringend weg.
    Als ich mit Sack und Pack das Haus verließ, sah ich die Mutterschafe auf einem anderen Stück Land. Eins bewegte sich langsam in meine Richtung. Es ging lahm, ich erkannte Betsie sofort. Ich blieb stehen und wartete darauf, daß sie über den Damm kommen würde. Etwas an ihr war anders. Sie strahlte. Sie humpelte noch genauso wie sonst, und doch hatte sie einen irgendwie federnden Schritt. Einen selbstbewußten Gang. Während sie an mir vorbeiging, auf dem Weg zu dem weggefressenen Futterhaufen, blickte sie mich einen Moment an. Und so unglaublich es klingt: Sie lächelte. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ein Schaf lächeln. Sie war auf dem Weg zum mürrischen Bert und wackelte triumphierend mit ihrem rotfleckigen Hinterteil.
    Ach ja, dachte ich auf der Heimfahrt. Armer Bert. Wenn du eine deckst, mußt du alle decken.
    Ein bißchen Lügen
    Donnerstag, 25. März 2004
    Ich schickte meinem kleinen Bruder eine E-Mail. Er solle sich einmal meine Website ansehen. Das tat er dann auch, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden aufgeweckten Kindern. Und wie es in der Familie so ist: Sie fanden alles »sehr hübsch«, aber an einer Stelle hätte ich doch gelogen.

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