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Komm mit mir nach Caracas

Komm mit mir nach Caracas

Titel: Komm mit mir nach Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Graham
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folgenden Stunden durchlief Polly die ganze Skala der Gefühle. Sie war noch nie jemandem begegnet, der so leicht erregbar war wie Raul. Er hatte mit ihr gesprochen und sie angesehen, als wäre sie ein Nichts.
    Ihr Zorn darüber, dass Raul sie vor allen bloßgestellt hatte, wich schließlich großem Kummer. Sie waren vielleicht vierundzwanzig Stunden zusammen gewesen, und doch war alles schief gegangen. Am liebsten hätte sie mit Luis die Flucht ergriffen, damit Raul sein Verhalten bereute. Als ihr das bewusst wurde, musste Polly weinen.
    Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, ließ sie ihr eigenes Verhalten Revue passieren und versuchte, es aus seiner Perspektive zu betrachten. Dabei musste sie sich eingestehen, dass es seinem in nichts nachstand.
    Und warum hatte sie sich wie eine Idiotin benommen?
    Weil ich ihn liebe, gestand Polly sich gequält. Und da sie viel mehr sein wollte als seine Gespielin und er vermutlich an erfahrene Frauen gewöhnt war, hatte sie ihn mit ihrer Unsicherheit vergrault.
    Wenn sie ihm gleich von der Begegnung mit Melina D'Agnolo berichtet hätte, hätte er wenigstens verstanden, warum sie so gereizt war. Doch sie hatte gewusst, dass es verrückt gewesen wäre, das Thema anzuschneiden, weil er sie bereits für krankhaft eifersüchtig hielt.
    Und er hatte sie ganz richtig eingeschätzt, wie sie sich eingestehen musste. Sie war tatsächlich eifersüchtig und würde es zweifellos wieder sein, weil Eifersucht aus Unsicherheit resultierte. Und sie wollte, dass Raul ihr gehörte, mit Leib und Seele.
    Als Polly sich im Spiegel betrachtete und feststellte, dass ihre Augen verquollen waren, spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht. Anschließend wusch sie sich die Haare, schminkte sich dezent, sprühte etwas Parfüm auf und zog eines der Seidennachthemden an, die Raul ihr gegeben hatte. Dann schlich sie sich ins eheliche Schlafzimmer und legte sich in das große Bett. Da die Gardinen nicht zugezogen waren, fiel das Mondlicht durchs Fenster.
    Offenbar war sie eingenickt, denn irgendwann schreckte sie aus dem Schlaf. Auf dem Flur waren Schritte und Stimmen zu hören. Sie schaltete das Licht ein, sprang aus dem Bett und öffnete die Tür.
    Raul stand, von einigen Hausangestellten umgeben, die wild gestikulierten, im Flur.
    Er war über und über mit Schlamm bespritzt, stellte zahlreiche Fragen und gestikulierte dabei ebenfalls heftig.
    „Raul?" erkundigte Polly sich besorgt, als er eine Atempause einlegte. „Was ist los?"
    Die Hausangestellten drehten sich zu ihr um und musterten sie erstaunt.
    „Wo, zum Teufel, bist du gewesen?" fuhr er sie an.
    „Im Bett ... Ich habe geschlafen", erwiderte Polly verwirrt. „Warum?"
    „Warum?" wiederholte er ungläubig.
    Die Hausangestellten zogen sich nun zurück und gingen in Richtung Treppe. Raul ging an ihr vorbei ins Schlafzimmer und betrachtete verblüfft das zerwühlte Bett.
    „Lektion drei, wie man eine richtige Ehefrau wird", sagte sie schnell, bevor sie der Mut verließ. „Nach einem Streit musst du dich wieder versöhnen, bevor die Sonne untergeht."
    „Die Sonne geht gerade auf", erwiderte er leise. Dann hob er sie hoch, durchquerte mit ihr den Raum und legte sie aufs Bett.
    Unsicher blickte sie zu ihm auf. „Was war da draußen los?"
    Eine tiefe Röte überzog seine Wangen, und er presste die Lippen zusammen. „Du warst nicht da, wo du sein solltest. Ich dachte, du hättest wieder Reißaus genommen."
    „Reißaus genommen? Wohin?" Polly musste sich zusammenreißen, um nicht zu kichern.
    „Woher soll ich das wissen? Draußen stehen zwei Hubschrauber, mehrere Wagen und zahlreiche Pferde im Stall. Es wäre also kein großes Problem gewesen, von hier wegzukommen", informierte er sie grimmig, während er drohend vor ihr stand. „Mein Bett war der letzte Ort, an dem ich dich vermutet hätte."
    Er hatte also nicht einmal nachgesehen. Er hatte voreilige Schlüsse gezogen und Alarm geschlagen, als er sie nicht im Gästezimmer angetroffen hatte. Obwohl sein Eingeständnis sie verlegen machte, empfand sie es als tröstlich, dass er doch nicht jeden ihrer Schritte vorhersehen konnte. Trotzdem wandte sie den Kopf ab, aus Angst, ihre Gefühle zu verraten.
    „Möchtest du, dass ich gehe?" fragte sie betont lässig.
    „Nein, ich erkenne einen Ölbaum, wenn man mir einen reicht."
    „Du meinst einen Ölzweig", verbesserte sie ihn sanft.
    „Nein, wenn du dich so zurechtmachst und in meinem Bett auf mich wartest", sagte er beinah rau, während er sie

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