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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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voller Hohn! O Haupt zum Spott gebunden mit einer Dornenkron."
    Du darfst eines nicht vergessen. Der ganze 590er hat ja von dem Schuß immer noch gesungen wie dieser asiatische Gong, bevor der Kinofilm anfängt. Aber eben nicht, als würde der Brenner im Kino sitzen, sondern als würde er mitten im Gong sitzen!
    Und zu diesem Asiatengong jetzt der Straßenlärm dazu und das aufgeregte Schnattern der Schaulustigen und das Hupen aus allen Richtungen, als wären alle Wiener gleichzeitig zum Donauinselfest aufgebrochen. Das hat sich alles zu einer Klanglawine vermischt, als würde jemand dem Brenner regelrecht das Trommelfell über die Ohren ziehen. Und aus dem Hintergrund immer noch die ganze Zeit der Klara-Chor: "O Haupt! Sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier.
    Jetzt aber höchst schimpfieret, gegrüßet seist du mir."
    Der Brenner hat dem Herrn Oswald in die Augen geschaut, und der Herr Oswald hat dem Brenner in die Augen geschaut, und der Chor hat gesungen, und die Autofahrer haben gehupt, und die Neugierigen haben das Auto umringt, und ein paar Vorlaute haben sogar ihre Köpfe bei der offenen Beifahrertür hereingesteckt und sind sofort wieder weg gewesen, wie sie den gefährlich schwankenden Schweizerkracher gesehen haben, und der Herr Oswald hat nichts gesagt, und der Brenner hat nichts gesagt, und der Lungauer hat nichts gesagt, und der Junior hat sowieso nichts mehr gesagt, und der Chor hat gesungen: "Du edles Angesichte, dafür sonst schrickt und scheut das große Welt-Gewichte, wie bist du so bespeit?
    Wie bist du so erbleichet? Wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht?"
    Ganz weit in der Ferne hat der Brenner den Chor nur gehört.
    Und noch ein bißchen ferner hat er die Polizeisirenen gehört, die sich jetzt - ich möchte fast sagen, als Tüpfelchen auf dem i auch noch in das wunderbare Musikerlebnis gemischt haben.
    "Die Farbe deiner Wangen, der roten Lippen Pracht ist hin und ganz vergangen. Des blassen Todes Macht hat alles hingenommen, hat alles hingerafft."
    Während der Chor aber gleich fern geblieben ist, sind die Polizeisirenen näher gekommen. Und der Brenner hat schon gespürt, wie die Sirenen den Chor jetzt und jetzt überholen werden. Aber noch nicht. Noch ist der Chor näher gewesen.
    Noch haben die Sirenen den Chor nicht überholt.
    Und das Geschnatter der Schaulustigen ist näher als der Chor gewesen. Und das Schnaufen vom Herrn Oswald ist näher als das Geschnatter gewesen. Und das Schnarchen vom Lungauer ist näher als das Schnaufen vom Herrn Oswald gewesen. Das asiatische Gongsummen ist näher als das Schnarchen gewesen, und das betäubende Herzklopfen, als hätte ein Schlagzeuger seine Baßtrommel ausgerechnet im Ohr vom Brenner aufgestellt, ist näher als der asiatische Gong gewesen. Der Brenner hat zwar noch nie so ein wunderbares Musikerlebnis gehabt, aber er hat sich darauf eingestellt, daß es sein letztes ist, sein wunderbares Ertaubungserlebnis, und daß er nie wieder etwas hören wird, aber für eine Sekunde hat er noch gehört: "Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deines Todes Schmerzen, da du's so gut gemeint."
    Und dann hat der Brenner nichts mehr gehört von der Musik.
    Nur noch diesen Knall, der hundertmal näher war als die Herztrommel in seinem Ohr. Aber chormäßig absolute Ruhe.
    Weil der Herr Oswald hat mit einem einzigen Schuß den ganzen Chor totgeschossen.
    "Der einzige Wagen mit Quadrophonie", hat der Brenner geschrien, weil wenn du heute schlecht hörst, redest du automatisch ein bißchen lauter, "und Sie schießen sie in Stücke!"
    Der Herr Oswald hat nichts gesagt. Er hat nur den Schweizerkracher fallen lassen.
    "Aufpassen!" hat der Brenner geschrien.
    Der Herr Oswald hat nichts gesagt.
    "Wie geht es Ihnen?" hat der Brenner den Lärm in seinen Ohren überschrien. Weil es hätte ihn wirklich interessiert, wie sich ein Mensch fühlt, der sein Leben lang nur zugeschaut hat und dann gleich so brutal ins Geschehen eingreift.
    Aber der Herr Oswald hat nichts gesagt und niemanden in sich hineinschauen lassen.
    "Gut", hat statt dessen jemand hinter dem Brenner geantwortet. Der Brenner hat im ersten Moment geglaubt, das Hirn auf der Heckklappe redet mit ihm. Aber natürlich, es war nur der Lungauer, der von dem Schuß, mit dem der Herr Oswald die Quadrophonie-Anlage erschossen hat, endgültig aufgewacht ist.
    "Grüß Gott", hat der Lungauer in seiner höflichen Art zum Brenner gesagt.
    "Wenn ich

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