Komm, suesser Tod
Schneepflug den 740er auf die Seite. Aber andererseits: Wenn ein Auto in ein anderes kracht, dann kracht es zwar gewaltig. Aber es kann einem doch unmöglich so
Magic-Moment-mäßig
das Trommelfell zerbröseln.
Vielleicht kracht überhaupt nichts, hat sich der Brenner getröstet: Weder das Getriebe kracht, noch der 740er kracht, und ich höre nur meine vergifteten Organe krachen, während ich den Löffel abgebe.
Womöglich ist das Jenseits so ein lauter Stadtteil, daß mir deshalb der Schädel dröhnt, als ob sie mich im Stephansdom an die große Glocke gehängt hätten, an die berühmte Pummerin aus dem Silvesterfernsehen.
Du darfst dem Brenner nicht böse sein, daß er in der Situation ein bißchen hysterisch geworden ist. Es stimmt schon, er hätte damit rechnen müssen, daß ihn der Junior einsperrt. Trotzdem: selber schuld oder nicht, im Brenner seiner Haut wärst du vielleicht auch nicht komplett ruhig geblieben.
Aber andererseits Vorteil von dem Gift auch wieder nicht zu leugnen, weil er hat jetzt seine gebrochene Rippe überhaupt nicht mehr gespürt.
Und was die Glocke betrifft, die bei uns immer zum Jahreswechsel im Fernsehen läutet, habe ich meine eigene Theorie, warum ihm die jetzt eingefallen ist, paß auf. Seine Pistole ist ja eine
Glock
gewesen, und jetzt, wo er gemeinsam mit dem Lungauer mit Riesenschritten auf das Lebensende zumarschiert ist, hat er vielleicht aus einer gewissen Solidarität heraus damit angefangen, auch die Wörter durcheinanderzubringen.
Was ich sagen will: Ich glaube, er hätte sich einfach seine
Glock
herbeigewünscht. Mit seiner Pistole hätte er die Trennscheibe zur Fahrerkabine bestimmt kaputtschießen können. Aber leider. Er hat die
Glock
gestern noch eigens aus seiner Uniformtasche genommen, weil sie ihm so gemein auf die gebrochene Rippe gedrückt hat.
Eigentlich zum Verzweifeln, aber der Brenner trotzdem wieder ein bißchen Hoffnungsschimmer. Weil jetzt ist ihm die Luft schon wieder ein bißchen besser vorgekommen.
Vielleicht kommt durch die zerspringende Scheibe der Sichtverbindung ein bißchen frische Luft aus dem Führerhaus herein, hat sich der Brenner in seinem Abgasrausch überlegt.
Vielleicht ist es die zerberstende Scheibe, die so einen Krach macht. Vielleicht verwechsle ich nur die Wörter.
Vielleicht sage ich nur Schädel zu dem Ding, das jetzt durch die zerberstende Trennscheibe hereindonnert und so an die Hecktüren des Rettungsautos kracht, daß das ganze Auto dröhnt wie die berühmte Silvester-Pummerin. Und daß das ganze Auto dunkel wird von dem Blut, das herumspritzt wie in diesen Turbo-Orangenpressen, wo du zehn Blutorangen hineingibst, und eine Sekunde später hast du einen Liter Blutorangensaft.
Weil das bißchen Kopf, was vom Junior noch dagewesen ist, ist wirklich wie eine ausgelutschte Orangenschale an der Hecktür langsam zu Boden gerutscht. Und der Schnurrbart natürlich, ich möchte nur soviel sagen: Der hat ausgesehen, als hätte jemand versucht, daran eine Bierflasche aufzumachen.
Und eines muß ich ganz ehrlich sagen. Bei allem, was man gegen den Junior einwenden kann: Betrug und Morde und zu guter Letzt auch noch den Bimbo erwürgt. Aber daß er mehr Hirn gehabt hat als die beiden Kamikaze-Fahrer vom Gaudenzdorfer Gürtel zusammen, das hat man auf den ersten Blick gesehen.
Aber viel hat der Brenner natürlich nicht gesehen. Zuerst hat ihm das Gift die Augen zugedrückt, und dann hat ihm der Glockenlärm der Autokarosserie die Augen regelrecht eingedrückt. Und wie er sie wenigstens wieder einen Spaltweit aufgebracht hat, ist im Spalt ein Bild aufgetaucht, gegen das ihm das Hirn auf der Heckklappe fast normal vorgekommen ist.
Weil der Herr Oswald ist hinter der scheibenlosen Sichtverbindung auf dem Beifahrersitz gekniet. Und in beiden Händen hat er den Schweizerkracher vom Bimbo gehalten. Er hat so gezittert, daß der Brenner gefürchtet hat, der Schweizerkracher geht ihm versehentlich noch ein zweites Mal los. Und wirklich kein Wunder, daß der Herr Oswald schockiert war. Weil so ein Pech mußt du einmal haben! Sein Leben lang nur zugeschaut und dann beim ersten eigenen Schuß gleich ein derartiger Volltreffer, daß sich der Junior-Schädel durch die Trennscheibe verabschiedet, da muß ich ganz ehrlich sagen: Hut ab!
Und ganz leise hat man auf einmal aus dem 740er herüber die Kassette gehört, die die Klara für den Brenner vor dreißig Jahren in Puntigam zusammengestoppelt hat: "O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und
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