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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Eindringling aus Fleisch und Blut getan hätte.
    Eine rundliche Krankenschwester kam geschäftig in den Raum. Hinter ihr ging Mr Tuttle.
    Â»Wach auf, Helen«, sagte die Schwester. »Dein Daddy ist hier.«
    Wach auf! , dachte ich. Wie kann sie so was verlangen?
    Zu meinem Erstaunen flatterten Helens Augenlider. Ihr Kopf bewegte sich auf dem Kissen, und ihr Mund ging auf, weil sie gähnte.
    Â»Hallo, Schatz«, sagte Mr Tuttle. »Ich weck dich wirklich nicht gern, aber ich bin auf dem Weg zum Flughafen und wollte nicht wegfahren, ohne mich zu verabschieden.«
    Â»Morgen, Dad«, sagte Helen schläfrig. »Wo fliegst du denn hin?«
    Â»Nach Shiprock in New Mexico«, sagte ihr Vater. »Erinnerst du dich, ich hatte dir erzählt, dass dort plötzlich eine Stelle frei geworden ist für einen Lehrer, der Navajo spricht.«
    Â»Stimmt. Das hast du mir erzählt«, sagte Helen. »Komisch, ich dachte immer, wir würden nach New England gehen. Habt ihr nicht mal gesagt, ihr wolltet, dass ich mein letztes Schuljahr in einer Schule im Osten verbringe?«
    Â»Deine Mutter und ich haben es uns anders überlegt«, sagte Mr Tuttle. »Wir finden, dass wir dort nicht hinpassen.«
    Â»Wir wollten doch Schnee sehen. Darüber haben wir geredet. Ich hab noch nie Schnee gesehen, und du hast gesagt …« Sie hielt inne, anscheinend hatte sie Schwierigkeiten, einen klaren Gedanken zu fassen. »Du hast gesagt: ›Jeder sollte mal die Gelegenheit bekommen, einen echten Winter zu erleben.‹«
    Â»Ich weiß, Schatz, und wir machen das auch«, sagte ihr Vater. »In den Bergen von New Mexico gibt es Schnee. Da kann man sogar Ski laufen. Das würdest du doch gern lernen, nicht wahr?«
    Â»Klar, ich glaub schon.« Sie lächelte ihn an. Es war ein schwaches Lächeln, aber da blitzte etwas von der Helen auf, die ich kannte. »Wann dürfen Mom und ich nachkommen?«
    Â»Das wird noch eine Weile dauern. Die Ärzte müssen uns erst die Erlaubnis geben.«
    Â»War ich schlimm verletzt?« Helen stellte diese Frage eher aus Interesse als aus Sorge.
    Â»Schlimm genug, um uns einen Schrecken einzujagen. Wir möchten, dass du wieder ganz gesund bist, bevor wir dir so einen großen Umzug zumuten. Wenn du so gute Fortschritte machst wie bisher, sind wir im Handumdrehen wieder alle zusammen. Bis dahin hab ich auch ein Haus für uns gefunden und unsere Sachen hinbringen lassen.«
    Â»Kommt Mom später auch noch?«
    Â»Zur Besuchszeit kommt sie, wie immer. Ich durfte zwischendurch rein, nur um mich zu verabschieden.« Er bückte sich und küsste sie ganz leicht auf die Stirn. »Werd schnell gesund, hörst du? Ich werde mich einsam fühlen da draußen, so ohne meine Mädels.«
    Â»Das mache ich, Dad. Versprochen. So schnell ich kann.«
    Sie lächelte ihn an und hielt das Lächeln, bis er aus dem Zimmer war. Dann verschwand es und sie runzelte die Stirn nachdenklich.
    Â»Mrs Jensen«, sagte sie langsam, »wie lange bin ich schon hier im Krankenhaus?«
    Â»Ein paar Wochen«, sagte die Schwester freundlich. Während Mr Tuttles Besuch hatte sie den Raum kurz verlassen, jetzt war sie wieder da und füllte den Wasserkrug auf dem Nachttisch auf.
    Â»Und davor war ich in einem anderen Krankenhaus?«
    Â»Ja, du bist von irgendwo anders hierher verlegt worden. Ich weiß nicht mehr, wo das war. Als du ankamst, habe ich noch nicht auf dieser Station gearbeitet.«
    Â»War das ein Krankenhaus in Arizona?«
    Â»Ich sag doch, ich weiß es nicht, Liebes. Dr Cohn kommt bald zur Visite, den kannst du fragen. Oder deine Mutter, die schaut zur Besuchszeit rein.«
    Â»Ist wohl auch nicht so wichtig. Es ist nur so ein seltsames Gefühl, wenn man sich nicht erinnern kann.« Sie seufzte und die Augen fielen ihr zu.
    Â»Jetzt aber nicht einschlafen, Schlafmütze«, sagte die Schwester. »Gleich gibt es Frühstück, da wirst du doch wieder aufwachen müssen.«
    Frühstück. In Cliff House wäre auch Frühstückszeit.
    Neal und Meg waren inzwischen auf und angezogen, und ich …
    Ich musste zurück! Und schon als ich das noch dachte, war ich wieder da. Die Rückkehr vollzog sich so schnell, dass ich gar nicht merkte, was passierte. Es war nur Geschwindigkeit und Licht, und das Gefühl, von einer ungeheuren Kraft durch den Raum gezerrt zu werden, wie am Ende eines riesigen

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