Komm zu mir, Schwester!
fingen wir beide an zu lachen. Und er küsste mich.
Das war das Ende des einen Kapitels unserer Beziehung und der Anfang eines anderen.
SECHZEHN
AM SILVESTERABEND GAB DARLENE Briggs eine Party. Zu meiner Ãberraschung war ich eingeladen. Anscheinend hatte Tommy so mit seinem Einsatz bei der Rettungsaktion geprahlt, dass jeder auf Brighton Island darauf brannte, mir Einzelheiten zu entlocken.
»Kann ich ein Date mitbringen?«, fragte ich, als Darlene anrief, um mich einzuladen.
»Das wird nicht nötig sein, Laurie«, sagte sie. »Vielleicht hast du es noch nicht gehört, aber Gordon und Crystal haben Weihnachten Schluss gemacht. Er kommt allein, und er hat extra nachgefragt, ob du auch eingeladen bist.«
»Und Crystal?« Ich musste einfach fragen.
»Sie steht nicht auf der Gästeliste. Das passt einfach nicht. Sie hat ja nie so richtig dazugehört. Wir haben sie immer überall mitmachen lassen, weil sie mit Gordon zusammen war.«
»Verstehe«, sagte ich. Das verstand ich nämlich nur allzu gut. »Ich glaube, ich kann nicht kommen. Ich hab nämlich schon eine Verabredung. Aber danke für die Einladung.«
Jeff und ich verbrachten den Silvesterabend in Cliff House, wo wir mit meinen Eltern und Geschwistern Monopoly spielten. Es war eines der schönsten Silvester, die ich je erlebt hatte.
Der Neujahrstag war ruhig und angenehm, es war nicht viel los. Das Familienleben ging seinen gewohnten Gang, Dad saà am Computer und Mom bereitete oben im Atelier die Leinwand für ihr nächstes Bild vor. Mrs Coleson war so hingerissen von ihrem Weihnachtsgeschenk, dass sie sich noch ein zweites Ãlgemälde im gleichen Rahmen wünschte, damit die Bilder ganz ausgewogen links und rechts vom Kamin hängen konnten. Meg verschwand zu einer Freundin, und Neal und ich schmückten den Weihnachtsbaum ab und räumten das Glitzerzeug weg. Diese Aufgabe fand ich normalerweise deprimierend, aber dieses Jahr war es beinahe eine Erleichterung, Weihnachten offiziell hinter uns zu lassen und einen Strich unter eine Zeit zu ziehen, die eher traumatisch als fröhlich gewesen war.
Ich weià nicht, wann es genau passierte, aber irgendwann mitten am Nachmittag hatte ich zunehmend das Gefühl, beobachtet zu werden. Dieses Gefühl war mir nicht neu, aber ich war eine Woche lang frei davon gewesen und hatte angefangen zu hoffen, es sei für immer verschwunden. Seit dem Tag vor Weihnachten hatte Lia sich nicht mehr blicken lassen. Seitdem hatten die Dinge sich verändert. Ich war nicht mehr vertrauensselig und auch nicht mehr isoliert. Jeff und ich waren ein Team. Wir waren zu zweit, vereint. Dieses Wissen hätte Lia eigentlich dazu veranlassen müssen, sich zurückzuziehen und sich noch einmal zu überlegen, ob es schlau war, ihre Ãbergriffe fortzusetzen.
Während Neal die Schachteln mit dem Weihnachtsschmuck in den Schuppen runterschleppte, rief ich Jeff an.
»Sie ist hier«, sagte ich, ohne nähere Erklärung.
»Hast du sie gesehen?«
»Nein, aber ich spüre sie. Es ist so eine Art Aura.« Es fiel mir schwer, Worte dafür zu finden. »Als sie das erste Mal kam, damals im September, hab ich ihre Gegenwart gespürt, aber ich wusste nicht, was ich da fühlte. Ich hab zu Mom gesagt: âºDa war jemand in meinem Zimmerâ¹, obwohl nichts verändert worden war. Jetzt habe ich genau das gleiche Gefühl. Es ist wie ein leises, andauerndes Geräusch, das die Ohren nicht wahrnehmen. Man hat den Kopf voll davon, hört aber keinen Ton.«
»Wenn dieser Gips nicht wäre, würde ich rüberkommen«, sagte Jeff. »Aber auf Krücken schaffe ich es echt nicht, so weit zu laufen. Dad ist nicht hier, und deinen Vater kann ich auch nicht immer bitten, mich durch die Gegend zu fahren.«
»Er hat auch keine Zeit«, sagte ich. »Er schreibt. Und du könntest sowieso nichts ausrichten.«
»Du weiÃt, dass sie da ist. Das ist deine beste Verteidigung«, sagte Jeff. »Du hast die Sache im Griff. Lia ist dein Feind, das ist dir jetzt klar. Sie kann dich nicht zu irgendwas verleiten oder dich reinlegen, weil du sie durchschaut hast. Und körperlich kann sie dir nichts tun. Körperlich ist sie ja nicht da.«
»Irgendwo schon«, sagte ich. »Und das macht mir Angst. Sie könnte tausend Meilen weit weg sein oder gleich hinter der nächsten Ecke. Was mache ich, wenn sie ganz in der Nähe ist?
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