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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Was, wenn sie eines Tages vor mir auftaucht und ich denke, das ist nur ihr Schattenselbst – und dann ist sie es wirklich?«
    Â»Das wäre ganz schlecht«, meinte Jeff. »Und deshalb musst du sie finden.«
    Â»Helen hat gesagt …«
    Â»Du kannst dich nicht hinter Helen verstecken, Laurie. Das war alles noch anders damals. Helen hat dir geraten, so gut sie konnte, aber wie sollte sie voraussehen, dass die Sache so weit gehen würde?«
    Â»Solange sie hier ist, kann ich es nicht versuchen«, sagte ich verzweifelt.
    Â»Nein, natürlich nicht. Aber morgens, am Morgen bist du in Sicherheit.«
    Â»Woher wollen wir das wissen?«
    Â»Ganz sicher können wir uns nicht sein«, sagte Jeff. »Wir können nur das Beste aus unseren Vermutungen machen. Versuch es morgen früh, Laurie. Versprichst du mir das?«
    Â»Okay. Versprochen.«
    Bildete ich mir das ein oder ertönte plötzlich stummes Gelächter?
    Irgendwie brachte ich den restlichen Nachmittag und Abend hinter mich. Wir aßen früh zu Abend und meine Geschwister fielen bald darauf ins Bett, total erschöpft, weil sie in der Nacht davor so lange aufgeblieben waren und das Neue Jahr begrüßt hatten, und total genervt von der Vorstellung, am folgenden Tag schon wieder zur Schule gehen zu müssen. Mom verzog sich mit einem Buch ins Bett und Dad setzte sich wieder an seinen Computer. Stille legte sich über Cliff House, und mit der Stille kam dieses albtraumhafte Gefühl, dass schon bald etwas in diese Stille einbrechen würde, das ich nicht hören wollte.
    Aber das geschah nicht. Lia erschien mir nicht in dieser Nacht. Ich lang stundenlang wach und las die Bücher noch einmal, die Helen mir gekauft hatte. Dabei versuchte ich, so viele Informationen wie möglich aufzunehmen. In allen Büchern war von einer »Silberschnur« die Rede, die als Verbindung zwischen dem frei schwebenden Astralkörper und dem physischen Körper dient. Diese Schnur wirkt angeblich wie ein Magnet, sie verliert an Kraft, wenn der Astralkörper sich weiter und weiter entfernt, und wird stärker, wenn er sich dem physischen Körper wieder nähert. »In unmittelbarer Nähe des physischen Körpers«, stand in dem einen Buch, »wird die Anziehungskraft so stark, dass die beiden Körper mit – wie eine Versuchsperson beschrieb – einem ›scharfen Klick‹ wieder zusammengefügt werden. Eine andere Versuchsperson beschrieb es als ›Ruck‹. Die Silberschnur bleibt intakt, ganz gleich, wie weit sie gedehnt wird. Sie kann nur vom Tod durchtrennt werden.«
    Wenigstens weiß ich, dass ich niemals verloren gehen kann, dachte ich. Egal, wie weit ich auch gehe, ich werde mich auf dem Rückweg immer an der Schnur orientieren können. Das war eine beruhigende Erkenntnis. In meinen schlimmsten Fantasien hatte ich mich so weit von Cliff House entfernt, dass ich nicht mehr wusste, wie ich wieder zurückfinden sollte.
    Ich las immer weiter, bis die Wörter auf der Seite verschwammen und ihre Bedeutung verloren, und dann, halb furchtsam, halb trotzig streckte ich den Arm und knipste die Nachttischlampe aus.
    Es blieb weiterhin still und leer im Raum. Die Dunkelheit war sanft.
    Ich schloss die Augen und mit einem Seufzer der Erleichterung schlief ich ein.
    Ich wachte sehr früh auf. Gerade tasteten sich die ersten Sonnenstrahlen an den Horizont und schickten Glitzerstreifen übers Wasser. Ich lag im Bett und beobachtete durch die Glastür, wie die Wolken sich von grau über lila zu pink und rosa verfärbten. Der Morgen explodierte förmlich.
    Es ist so weit , dachte ich. Ich habe es Jeff versprochen .
    Ich hatte nur versprochen, dass ich es versuchen würde. Ergebnisse hatte ich nicht versprochen. Und so oft, wie ich es schon vergeblich versucht hatte, so gering war meine Hoffnung, dass dieser Versuch anders ausfallen könnte. Immerhin wusste ich jetzt wenigstens, was ich erreichen wollte. Ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn man die Erde losließ. Ich musste es mir nicht vorstellen, sondern konnte mich an das Gefühl erinnern, und wenn ich die Augen schloss und mich konzentrierte, kehrte ich in ein Reich zurück, in dem ich schon mal gewesen war.
    Ich lag auf dem Bett, und dann schwebte ich darüber. Das Ganze passierte so schnell, als hätte ich mich von einem Sprungbrett katapultiert. Ich machte einen großen Satz … und war frei.
    Unter

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