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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Gummibands, das bis zum Zerreißen gespannt und dann losgelassen worden war. Die Welt schoss unter mir vorbei wie ein Rausch aus Land und Wasser, halb verborgen hinter Wolken, und mein Astralkörper traf mit solcher Wucht auf meinen physischen Körper, dass ich laut nach Luft schnappte.
    Ich lag auf meinem Bett, und jemand schüttelte mich so heftig, dass meine Zähne klapperten.
    Â»Laurie«, bettelte Neal verzweifelt, »bitte, wach doch auf!«
    Â»Lass das«, murmelte ich. »Nicht so doll, Neal. Du tust mir weh.«
    Â»Ich hab noch nie jemanden so tief schlafen sehen.« Er war erleichtert und ließ von meinen Schultern ab. »Ich hatte das Gefühl, du atmest gar nicht mehr. Du hast mir Angst gemacht.«
    Â»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich bin hier. Ich bin wieder zurück.«
    Â»Wieder zurück?« Neal war verwirrt.
    Â»Ich meine, ich bin wach. Ich bin wieder zurück – in der wachen Welt.« Ich setzte mich im Bett auf, warf die Decke zurück und ließ die Beine aus dem Bett baumeln. »Nun hau ab, damit ich mich anziehen kann, okay? Ich komm sofort runter zum Frühstück.«
    Â»Beeil dich, sonst verpasst du die Fähre«, sagte Neal. »Geht Jeff heute zur Schule?«
    Â»Ich glaube schon. Sein Vater fährt ihn zum Anleger und in der Schule kann ich ihm seine Bücher tragen.«
    Er muss einfach kommen , dachte ich, ich habe ihm nämlich so viel zu erzählen! Und damit will ich nicht bis nach Schulschluss warten müssen.

SIEBZEHN
    JEFF STAND SCHON AM ANLEGER, als meine Geschwister und ich dort ankamen, aber ein Gespräch unter vier Augen war nicht drin. Wir hatten gerade noch Zeit, an Bord zu gehen und uns drinnen einen Platz zu suchen. Das Wetter war so fies, dass niemand draußen bleiben wollte, und in seiner Verfassung hätte Jeff es sowieso nicht bis aufs Oberdeck geschafft.
    In der Kabine wurden wir mit ungewohntem Enthusiasmus begrüßt. Dass wir ein gefährliches Abenteuer überlebt hatten, schien uns über Nacht Promi-Status verschafft zu haben. Wie war es zu dem Unfall gekommen? Wie tief waren wir gefallen? Was für ein Gefühl war es gewesen, dort unten festzusitzen? Wie waren wir gerettet worden?
    Â»Es war einfach irre«, sagte Tommy Burbanks immer wieder. Er war sauer, dass seine Rolle in dem Drama so wenig Anerkennung fand. »Ich war derjenige, den sie runtergelassen haben. Und es war stockdunkel da unten. Rankin kriegte gar nichts mehr mit und Laurie war total hysterisch.«
    Â»Meine Schulter war verletzt«, sagte ich. »Ich dachte, das Klettergeschirr würde sie mir auskugeln. Jeff war zu dem Zeitpunkt nicht mehr bei Bewusstsein. Er war schon viel länger da unten gewesen als ich und beinahe erfroren.«
    Â»Was hat er da überhaupt zu suchen gehabt?« Gordon hatte es irgendwie geschafft, den Platz zu meiner Rechten für sich zu beanspruchen, und in seiner Stimme schwang der alte besitzergreifende Ton mit. »Ist das so ’ne Gewohnheit von dir, dich nachts bei Cliff House rumzudrücken, Rankin?«
    Â»Ich hab da Blumen gepflückt«, sagte Jeff total cool.
    Â»Das sollte kein Witz sein. Ich hab dir eine einfache Frage gestellt.«
    Â»Und ich hab dir eine einfache Antwort gegeben.«
    Â»Mit ›einfach‹ hab ich nicht ›blöde‹ gemeint«, sagte Gordon. »Heilig Abend ist ja nicht gerade der Zeitpunkt, an dem massenhaft Leute beschließen, auf den Felsen rumzuklettern.«
    Â»Ich hatte ihn eingeladen, Gordon«, sagte ich. »Er wollte zum Essen kommen.«
    Â»Zu dir nach Hause?« Gordon konnte es nicht fassen.
    Â»Genau, bei meiner Freundin zu Hause. Irgendwas dagegen?« Jeff grinste. Da war das alte, freche Grinsen von vor drei Jahren wieder, nur ging es jetzt nur über die heile Hälfte seines Gesichts.
    Gordons Mund klappte auf und wieder zu, ohne dass ein Ton rauskam.
    Dann lehnte sich Darlene vor, die so weit weg saß, dass sie den Wortwechsel nicht gehört hatte: »Wer hat denn die frühe Mittagspause in diesem Halbjahr?«, fragte sie. Und Rennie sagte: »Ich.« Und dann fingen alle an, Stundenpläne zu vergleichen. Nach diesem Themenwechsel ging das Gespräch in andere Richtungen. Gordon sagte auf dieser Fahrt kein Wort mehr.
    Als die Fähre das Festland erreicht hatte, ließen Jeff und ich die anderen vor uns von Bord gehen. Dann hievte er sich hoch und ich sammelte seine Bücher und meine

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