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Komm zurueck, Como

Titel: Komm zurueck, Como Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Winn
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Windschutzscheibe, als ich es je tat. Würde er sich ans Lenkrad setzen, dachte ich manchmal, würde er uns wahrscheinlich genauso sicher und vermutlich schneller ans Ziel bringen. Je näher wir kamen– bei ihm schien ein GPS-Sensor für Entfernungen und Parkplätze eingebaut zu sein–, winselte er und rannte auf dem Rücksitz hin und her. Nichts, aber auch gar nichts ging schnell genug für ihn.
    Seine eigentliche Hundeidentität schien er draußen in der Natur besser ausleben zu können. Auf den Wegen und Wiesen um den Stow Lake, auf dem mit Seegras bedeckten Sandstrand oder auf den zypressengespickten Dünen in Fort Funston bewegte sich Como mit wiederbelebter Zielstrebigkeit. Sich pflichtbewusst über die Bürgersteige zu schleppen hatte ein Ende, hier rannte er, angetrieben von einer inneren Kraft, hin und her. So viele Dinge gab es zu beschnüffeln, und so wenig Zeit, es zu tun– Büsche, Blumen, Treibholz, Krabbenschalen, andere Hunde, denen gegenüber er in der freien Natur weniger zurückhaltend und gehemmt war, Menschen, Felsen, Müll. Alles fand sein bohrendes Interesse, auch das, was sich nur ein kleines Stück oder auch hundert Meter vor ihm befand. Und los ging’s, mit mir im Schlepptau, während ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten. So viele Stellen, die er markieren musste. So viele Popcorn-Reste, Brotkrusten und wer weiß was noch alles, die er während des Rennens verschlingen musste. Selbst die Luft schien ihn zu erregen– bei hellem Sonnenschein, in feuchtem Nebel, Winter, Frühling: Es war egal. Bei diesen Ausflügen war er ein glücklicherer Hund, sodass ich, wenn er an der Leine zerrte, manchmal dachte, ich sollte ihn einfach in die weite Welt ziehen lassen, aus der er gekommen war und in die er sich zurücksehnte.
    So erfreulich es auch war, Como zu beobachten, der aufgeregt das neue Terrain erkundete, die ausgedehnten Spaziergänge dienten nicht nur ihm. Einer der Gründe, warum ich mich von Phoebe zu einem Hund überreden ließ, hatte mit meiner Neigung zur Isolation zu tun. Weil ich viel zu Hause arbeitete, weil ich über fünfzig Jahre alt war und über einen begrenzten Freundes- und Bekanntenkreis verfügte, der sich in den kommenden Jahren nicht sehr vergrößern würde, und weil ein leeres Nest drohte, wenn unser einziges Kind aufs College gehen würde, hatte ich mir einen Hund vorgestellt, der all dies zumindest ein bisschen auffangen sollte. Ich hatte mir vorgestellt, wie ich spazieren ging und mich mit anderen Hundebesitzern traf, während unsere Hunde sich als Eisbrecher höflich beschnüffelten, wie ich die angenehmen Hundeparks aufsuchte, die mir in der Stadt aufgefallen waren, und wie ich in gefühlvoller Eintracht mit meinem liebenswürdigen und treuen Hund auf einem malerischen Pfad stehen blieb und die Landschaft betrachtete. All das würde ich mit Ecstasy und mit der Ekstase tun, die sie in mir bewirken würde, hatte ich einmal gedacht.
    Als das Schicksal uns stattdessen Como unterjubelte, verschwanden diese rosa gefärbten Filmsequenzen wie bei einem flackernden Fernseher und wurden von einer Serie ersetzt, in der ein panischer Hund die Hauptrolle spielte und einen großen Teil seiner Energie dafür aufwendete, mir aus dem Weg zu gehen, in der Öffentlichkeit unberechenbares Verhalten an den Tag zu legen und seine nächste Flucht zu planen. Einen Hund im Haus zu haben, das hatte ich mir anders ausgemalt.
    Aber was entsprach denn sonst meinen Vorstellungen? Ich war Ehemann und Vater, arbeitete seit über fünfundzwanzig Jahren für dieselbe Zeitung, erhielt einige Freundschaften aufrecht, während ich andere auf meinem Weg verlor, war Zeuge, wie mein Vater starb und meine Mutter von der Parkinson’schen Krankheit in die Zange genommen wurde– nichts hatte sich so entwickelt, wie ich es mir in meinen naiven, grob vereinfachten Szenarios vorgestellt hatte. Como war nur ein weiteres Kapitel in der unerwarteten und unvorhersehbaren, nie endenden Geschichte von Enttäuschung und Wiedergutmachung, von Bedrohung und Trost und von Einsamkeit und Liebe, die das Leben einem aufs Brot schmiert, ohne dass man es vorher weiß.
    Die Unschuld unseres Hundes, was all diese Dinge betrifft, und seine völlige Konzentration auf den Moment: in der Hitze keuchen, zu einem fallen gelassenen Stück Schokolade stürmen, im Käfig in der Klinik wie ein Opernstar wimmern, vor Freude zittern, wenn Sally die Treppe heraufkommt und die Tür öffnet– all das lenkte mein Augenmerk auf mein

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