Komm zurueck, Como
die Sicherheit der Schule verließ, die sie seit dem Kindergarten bis zur achten Klasse besucht hatte, um sich auf die Verantwortung und Unsicherheit einzulassen, die das erste Jahr mit sich brachten. Sie würde sich durch eine neue Gruppe Klassenkameraden und Lehrer sowie eine Menge akademischer Erwartungen lavieren und ihren Weg zu Unterrichtsstunden finden müssen, die auf einem verwirrenden, sich von einem auf den anderen Tag ändernden Stundenplan basierten. Und sie würde durch Flure voller achtzehnjähriger Jungs streifen, die schon mit dem Auto fahren konnten und vermutlich auch andere Erwachsenentricks auf Lager hatten.
Wie sich herausstellte, sollten uns die Flure am wenigsten Sorgen bereiten, was den Verbleib unserer Tochter tagsüber betraf. Phoebes neue Schule lag mitten im farbenfrohen Haight-Ashbury District, wo sich die » Sommer der Liebe«-Revolution abgespielt hatte, die Sally und ich aus der Ferne beobachtet hatten, als wir in Phoebes Alter gewesen waren. Das Schulgelände wurde nicht abgeschottet und erlaubte den Schülern, das Gebäude zu verlassen und zur Mittagszeit und während der Freistunden die Haight Street auf und ab zu schlendern. Sally und ich, die wir beide keine Kaffeetrinker sind, lauschten mit zurückhaltender Aufmerksamkeit, wenn Phoebe nebenbei erwähnte, dass sie auf einen Mokka oder Cappuccino im People’s Café, Squat & Gobble oder Coffee to the People gewesen war. Noch erwähnenswerter waren einige ihrer neuen Freunde und Bekannten. Außer ihren neuen Klassenkameraden Jonah, Nora, Sam, Oona, Jacob, Alexanna und Alan hörten wir im Vorbeigehen von einem Mann an der Haight Street Ecke Masonic Avenue, der grinste und unsere Tochter » Baby Doll« und » Zuckerpüppchen« nannte.
» Was für ein Mann?«, fragte Sally. Sie saß neben mir auf dem Wohnzimmersofa und hielt Como auf dem Schoß. Phoebe, die seit der achten Klasse zwölf Zentimeter in die Höhe geschossen war, blickte auf uns herab und verlagerte ihr Gewicht ungeduldig von einem Bein aufs andere.
» Niemand«, antwortete sie. » Ein Typ eben.«
» Wie alt?«, wollte ich wissen.
» Dad. Was glaubst du denn? Dass ich jeden, der mir über den Weg läuft, frage, wie alt er ist? Er ist nur so ein Typ.«
» Im Schulalter oder ein Erwachsener?«, drängte ich.
» Ein Erwachsener.«
» Arbeitet er in einem der Läden auf der Straße?«, fragte ich weiter.
Phoebe reagierte mit einem für sie typischen schwachen, bemitleidenden Lächeln, das sie über Nacht bis zur Bestleistung geübt haben musste und mit dem sie ihren Eltern zeigte, wie wenig Ahnung diese hatten. » Ich glaube eher nicht«, antwortete sie.
» Dann ist er ein Obdachloser«, schlussfolgerte Sally.
Phoebe zuckte mit den Schultern. » Ich habe tierisch viele Hausaufgaben. Komm, Z, gehen wir.« Der Hund sprang vom Sofa und folgte ihr nach oben in ihr Zimmer.
Como verbrachte eine Menge Zeit dort oben. Sobald Phoebe von der Schule nach Hause kam, verschwand sie mit dem Hund und etwas zum Essen in ihrem Zimmer. Zum Abendessen tauchten sie wieder auf, bevor sie sich für den Rest des Abends wieder verkrochen. Diese » tierisch vielen« Hausaufgaben waren der Vorwand, sich zurückziehen zu können, doch die Geräusche von Musik, der klappernden Tastatur ihres Rechners, auf dem sie E-Mails schrieb und chattete, und ihr piepsendes Mobiltelefon bestätigten, dass sie hinter ihren verschlossenen Türen ein elektronisch gesteuertes, gesellschaftliches Leben im einundzwanzigsten Jahrhundert führte.
Am Fußende ihres Bettes ausgestreckt, leistete ihr Como Gesellschaft. Nachdem sein Fell wieder gewachsen war und er sich vollständig von der OP erholt hatte, war er zu seiner alten Selbstgenügsamkeit zurückgekehrt.
Er lief, wohin und wann er wollte, manchmal lässig-elegant schlendernd, manchmal, wenn ihn sein Temperament leitete, in einem Affenzahn. Meistens war Phoebes Zimmer das Ziel, als hätten die beiden gemeinsam eine neue Phase begonnen, eine, die Sally und mich in die zweite Reihe verwies. Ich war es gewohnt, von Como brüskiert zu werden, deswegen fiel mir seine Abwesenheit kaum auf und machte mir nichts aus. Sally erging es anders.
» Wo ist Z«, fragte sie dann, wenn sie das Geschirr vom Abendessen abgewaschen oder einen Stapel Klassenarbeiten korrigiert hatte.
» Wo er immer ist«, antwortete ich.
» Ich weiß. Ich vermisse ihn einfach.«
Wir beide wussten nicht nur, wo Phoebe und Como steckten, sondern auch, was die wenigen kurzen Jahre
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