Komm zurueck, Como
fahren. Dies kam eigentlich nicht aus heiterem Himmel, da die Busfahrt am Wochenende nach Südkalifornien schon seit Monaten auf dem Plan der kirchlichen Jugendgruppe stand. Bisher war sich Phoebe unschlüssig gewesen, ob sie mitfahren sollte. Doch seit Comos Unfall hatte keiner mehr ein Wort darüber verloren. Ich hatte an die Fahrt jedenfalls nicht mehr gedacht, und wenn, hätte ich gewettet, dass Phoebe nicht mitfahren würde, da ihrem Hund eine schwere OP bevorstand.
Nicht zum ersten– oder letzten– Mal unterschätzte ich den Instinkt unserer Tochter. In Anbetracht der Aussicht, stundenlang auf diesen gestreiften Sofas im Krankenhaus herumzusitzen und zu wissen, dass sie nichts für Como tun konnte, außer den wunderbaren Händen dieses australischen Muskelprotzes zu vertrauen, kam sie zu dem genialen Schluss, dass eine nächtliche Busfahrt mit ihren Freunden, ein Samstag auf dem Matterhorn-Schlitten, auf der Big-Thunder-Bergbahn und mit den Piraten der Karibik und die anschließende Rückkehr, die sie erschöpft wieder über Nacht im Bus zurücklegen würde, das Beste für sie wäre.
Disneyland mochte für Phoebe nicht mehr das glänzende Paradies sein wie damals, als Sally und ich mit ihr zu ihrem sechsten Geburtstag hingefahren waren. Doch angesichts der Umstände wusste sie, dass dies der beste, vielleicht der einzige Ort war, an dem sie sich die nächsten Tage aufhalten konnte. Sollte Como die Operation überstehen, wäre Disneyland zu einer Art Talisman für sie geworden. Sollte er sie nicht überstehen, würde sie vorübergehend in ihr Fantasieland eintauchen, um alle schmerzlichen Neuigkeiten auszublenden. Sally und ich gaben ihr unseren Segen und setzten sie nach dem Abendessen vor der Kirche ab.
Nachdem wir Dr. Watt nach dem Anruf wegen der Verschiebung der OP nicht erreichen konnten, fuhren wir von der Kirche direkt zur Klinik. Der Muskelprotz hatte endlich einmal frei, trotzdem herrschte reges Treiben. Anscheinend wurde eine Veterinärklinik, die rund um die Uhr geöffnet hatte, an den Wochenendabenden genauso belagert wie ein Krankenhaus für Humanmedizin. Hatte der Freitagabend für Tiere dieselben bösen Folgen wie für Menschen, und drehten sie genauso durch? Wie Phoebe vorausgeahnt hatte, mussten wir fast eine Stunde lang warten, um aus den Mitarbeitern auch nur minimale Infos herauszukitzeln oder um Como sehen zu können. Als wir endlich zu ihm durften, empfing er uns mit einem weißen Plastiktrichter um den Hals. Eine junge Mitarbeiterin teilte uns mit, er habe an seinem Transfusionsschlauch geknabbert. Jetzt war seine Science-Fiction-Frankentier-Aufmachung perfekt.
» Como«, schimpfte Sally ihn liebevoll, bevor sie ihm ein großes Stück Huhn aus einem Behälter zuschob, den sie in ihrer Handtasche mitgebracht hatte.
Wieder wedelte er abwechselnd mit dem Schwanz und winselte. Sally schien sich nicht daran zu stören, doch mir ging es langsam an die Nieren. Mehrere Krankenhausmitarbeiter hatten uns gesagt, er winsle nur, wenn wir ihn besuchten. Außerdem esse er nur dann genügend, wenn wir, besonders Sally und Phoebe, ihn mit der Hand fütterten. Somit waren wir in diesem seltsamen, schwierigen Ernährungsdrama gefangen. Sally und ich blieben an seinem Käfig stehen, bis die auf uns gerichteten Blicke deutlich machten, dass wir die Gastfreundschaft überstrapaziert hatten, da sich die Mitarbeiter auch um die anderen Tiere kümmern mussten.
Das Wochenende verbrachten wir in einem Zustand statischer Lebhaftigkeit– wir bereiteten uns unser Essen zu, gingen ins Sportstudio, warteten vergeblich darauf, dass sich Phoebe von Disneyland aus meldete, hörten einander nur mit einem Ohr zu und erfüllten Como gegenüber unsere sozialen Pflichten, die wir mit Hühnchen aufpeppten. Nach einer unserer Fahrten in die Klinik machten wir beim Tierschutzverein halt, der ein paar Straßen entfernt lag. Como war für den Agility-Kurs angemeldet, der demnächst beginnen sollte, sein erster Aufbaukurs nach der Grundausbildung vor mehr als einem Jahr. Die Empfangsdame war gnädig und verständnisvoll, als wir ihr die Umstände erklärten und um die volle Erstattung der Kosten zurück auf unser geschändetes Kreditkartenkonto baten.
» Ich hoffe, es wendet sich noch alles zum Guten«, sagte sie mit leicht zweifelndem Blick.
» Das hoffen wir auch«, erwiderte Sally, die auf dem Weg zurück zum Wagen vorschlug, essen zu gehen. » Ich brauche irgendwie Abstand von dieser ganzen Sache.«
Im
Weitere Kostenlose Bücher