Komm zurueck, Como
Gewissen versetzte mir einen Stich, weil Como überlebt hatte, sein Hund aber nicht. Dann– und bei dieser Erkenntnis musste ich zuerst den Blick abwenden, bevor ich wieder in Julios große, braune Augen sehen konnte– wurde mir klar, dass ich Julio hätte gestatten sollen, vom Müllcontainer herunterzuspringen und Como zu schnappen. Er hätte es auf jeden Fall geschafft. Er hätte getan, was er bei seinem eigenen Hund nicht geschafft hatte.
» Julio, das ist furchtbar«, brachte ich schließlich heraus. » Es tut mir wirklich leid, das zu hören. Wie geht’s Ihrem Sohn?« Er hatte mir nicht gesagt, wann dies passiert war. Vor kurzem erst? Vor einem Monat? Vor einem Jahr oder mehr?
Julio zuckte mit den Schultern und blickte nach hinten zum Haus. Es war Zeit, sich wieder an die Arbeit zu machen. Katastrophen passieren nun mal. Hunde sterben– und manchmal tun sie es nicht, oder zumindest nicht gleich. Menschen kommen darüber hinweg oder machen irgendwie weiter. Diese Gedanken kamen mir, wirbelten in meinem Kopf umher und lösten sich langsam auf wie Dampf, als ich den Wagen startete und über Twin Peaks und durch die Castro und Mission zur Klinik fuhr. Auf den gestreiften Sofas saß niemand, als ich eintraf. Ich teilte den Damen am Empfang mit, dass ich auf das Ergebnis von Comos OP warten wolle, und setzte mich.
Genau wie bei vielen Dingen, auf die man ewig warten muss– als Kind auf Weihnachten, achtzehn oder einundzwanzig Jahre alt zu werden, heiraten oder ein Kind zu bekommen–, war Comos Operation ganz plötzlich zu Ende. Eben noch blätterte ich durch eine alte Ausgabe einer Katzenzeitschrift, dann stand Dr. Watt vor mir und erzählte, alles sei glattgegangen.
» Kein Problem mit der Narkose. Diesmal kein Blut in den Lungen. Auch kein Problem mit dem Becken. Saubere Brüche, die wir mit Klammern und Schrauben zusammengeflickt haben. Sieht sehr stabil aus.«
So viele gute Nachrichten im Telegrammstil! Ich wollte, dass er weitermachte, bevor er zu dem » Aber« kommen würde. Er führte nur zwei Einschränkungen auf. Erstens würde Como eine Zeit lang Schmerzen haben, wogegen wir ihm Medikamente geben könnten. Zweitens müsste Como für die nächsten vier bis sechs Wochen, in denen die Brüche verheilen würden, » bewegungsunfähig« gemacht werden.
» Sie müssen ihn in einen Käfig sperren, damit er nicht herumrennt oder springt. Das ist sehr, sehr wichtig«, ermahnte er mich. Doch auch sein sympathischer australischer Akzent konnte nicht verhindern, dass mich seine Worte schockierten.
» Käfig?«, wiederholte ich. Ein Unwort in Anbetracht der Geschichte unseres Hundes. » Ach ja, klar«, murmelte ich. » Wir werden natürlich dafür sorgen.« Ich konnte Dr. Watt unmöglich erklären, dass es jenseits von Alcatraz keine Gitterstäbe gab, die unser Hund respektieren würde. Doch ich hoffte, Como würde mit seiner Aversion, eingeschlossen zu werden, umgehen können. Schließlich hatte Dr. Watt ihn mit einer schweren Operation vor dem Grab gerettet und verlangte etwas, das eindeutig seiner Erholung und langfristigen Gesundheit diente. Das sollte genügen. Ich dankte Dr. Watt überschwänglich für alles, was er getan hatte, und sagte, wir würden später wiederkommen, wenn der Patient aus der Narkose aufgewacht war.
Ich begrüßte Sally mit den guten Nachrichten, als sie von der Schule nach Hause kam. Sie wirkte eher erleichtert als glücklich. » Ich dachte, er würde auf dem OP-Tisch sterben«, sagte sie.
» Ich auch«, gestand ich ein, merkte aber erst jetzt, dass ich dieses Gefühl bislang erfolgreich unterdrückt hatte. Manchmal hat der Hang zum Fatalismus, den Sally von ihrer Familie geerbt hat, etwas Klärendes. Wir trösteten uns mit einer kurzen, heftigen Umarmung. Als wir uns wieder voneinander lösten, erzählte ich ihr von den vier bis sechs Wochen, die Como im Käfig verbringen sollte.
» Machst du Witze?«, fragte sie.
» Anweisung vom Muskelprotz«, erklärte ich. » Mir liegt nichts daran, ihm Widerstand zu leisten.«
» Wir halten uns besser dran«, stimmte sie zu. » Wann darf er nach Hause?«
» Habe ich vergessen zu fragen. Vielleicht erfahren wir das, wenn wir ihn heute Abend besuchen. Aber wir müssen vorbereitet sein.«
Als ich mich an den Zooladenbesitzer mit dem schwarz gefärbten Haar und seinen spitzen Bemerkungen über Comos Zähne erinnerte, als wir die demolierte Plastikbox zurückbringen wollten, schlug ich vor, es zunächst in einem anderen Geschäft zu
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