Komm zurueck nach Italien
Probleme mit Santo”, gestand sie widerwillig.
„Was für Probleme?”
„Das möchte ich lieber mit Luisa besprechen. Ich brauche ihren Rat… Ich möchte sie sprechen, ehe … Ich meine, ich möchte mit ihr reden, bevor … bevor sie hier ankommt.” Das ist eine Lüge, dachte Catherine, kein Wunder, dass ich ins Stocke n komme, aber ich bin einfach zu feige, Vito die Wahrheit zu gestehen.
„Bleib bitte dran”, teilte er ihr mit ausdrucksloser Stimme mit. „Ich lege das Gespräch auf einen anderen Apparat.”
So einfach war das also gewesen! Vito würde sie ohne weitere Diskussion mit Luisa verbinden.
„Danke”, sagte sie erleichtert.
Als es in der Leitung knackte, ließ sich Catherine zurück aufs Sofa sinken und entspannte sich.
Sie stand zwar immer noch unter den Nachwirkungen des Schocks, ihren schlimmsten Feind nach so langer Ze it das erste Mal wieder gesprochen zu haben, aber so schrecklich war es eigentlich gar nicht gewesen. Sie konnte sich gratulieren, immerhin hatten sie sich weder angeschrieen noch gegenseitig fertig gemacht.
Sie musste die Zeit nutzen, um sich zu überlegen, was sie Luisa erzählen sollte. Am einfachsten wäre es, die Wahrheit zu sagen, aber gerade das hatte sich in der Vergangenheit als nahezu unmöglich erwiesen.
Sollte sie Santos auffälliges Benehmen auf schulische Proble me zurückführen? Oder auf das Dilemma , dass sein Vater in Neapel lebte und seine Mutter in London?
Es war nicht nur die geografische Entfernung, die Santo zu schaffen machte, sondern es waren vor allem die verschiedenen Lebensstile. In London führte Santo das ganz normale Leben eines Kindes der gehobenen Mittelklasse. Er wohnte in einem Reihenhaus eines gepflegten Londoner Vororts, und seine Nachbarn waren andere Durchschnittsfamilien. In Italien dagegen lebte er in der Nähe von Neapel in vornehmer Abgeschiedenheit auf dem Lande in einer Villa , die eher einem Palast als einem Haus glich.
War Santo bei Vito in Italien, dann sagte dieser sämtliche Termine ab, um sich ausschließlich um seinen Sohn zu kümmern. Und auch die von Santo über alles geliebte Großmutter war jederzeit für ihren Enkel da.
In London dagegen hatte Santo nur seine Mutter. Da Catherine ganztägig arbeitete, musste er von einer Kinderfrau aus der Schule abgeholt und von ihr beaufsichtigt werden, bis Catherine nach Hause kam.
Diese Lebensumstände waren für ein Kind in Santos Alter unglaublich verwirrend, und er litt, ohne erklären zu können, worunter. Catherine hatte sehr viel Geduld aufbringen müssen, um herauszufinden, was wirklich hinter seinen Wutausbrüchen und Ungezogenheiten steckte.
Und selbst für Catherine hatte sich die Situation erst vorhin endgültig aufgeklärt, denn es war ein Name gefallen. Ein Name, den Santo so angstvoll und gequält ausgesprochen hatte, dass Catherine regelrecht eine Gänsehaut vor Schrecken bekommen hatte.
Denn Catherine wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr Santo leiden und wie vernichtend er sich in seinem Selbstwertgefühl getroffen fühlen musste. Jetzt war ihr auch völlig klar, warum er nicht zu seinem Vater wollte. Sie kannte den Grund, denn es war der gleiche, aus dem auch sie Italien verlassen hatte.
„So, jetzt schieß los!” ertönte eine barsche Stimme am anderen Ende der Leitung.
Sie brauchte einen Moment, um sich von ihrer Überraschung zu erholen. „Wo ist Luisa?” fragte sie und schluckte.
„Ich hatte dir nicht versprochen, meine Mutter ans Telefon zu rufen, Catherine! Santo ist mein Sohn, wenn ich dich daran erinnern darf. Hast du Probleme mit ihm, bin ich der Ansprechpartner.”
„Er ist unser Sohn”, korrigierte ihn Catherine, während sie fieberhaft überlegte, wie sie ausgerechnet ihm etwas erklären sollte, was ihr schon bei Luisa schwer gefallen wäre.
„Schön, dass du das endlich einsiehst”, antwortete er.
Im Nu hatte Catherine all ihre Vorsätze, ruhig und sachlich zu bleiben, vergessen. „Dein Sarkasmus ist nicht nur erfrischend, Vito”, erwiderte sie schneidend, „sondern auch überaus hilfreich.”
Catherine hörte ein leises Knarren in der Leitung und wusste, dass Vito sich in den alten Ledersessel gesetzt hatte, der in seinem Arbeitszimmer stand. Vito hatte es von seinem Vater, der anderthalb Jahre nach Santos Geburt gestorben war, übernommen und nichts an der Einrichtung geändert. Catherine sah den Raum genau vor sich, die hell gestrichenen Wände, das auf Hochglanz polierte Parkett und die mit Liebe ausgesuchten
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