kommen groß raus
also hierher gekommen, um die anderen zu verraten?“, stellte Mamsell zornig fest. „Du hast keinen Anstand und keine Ehre!“
„Nicht einen Funken“, stimmte Frau Hartmann zu und betrachtete das errötete Mädchen voller Widerwillen. „Trotzdem sollten wir lieber mal nachsehen, Mamsell. Und für dich, Patrizia, kann ich nur hoffen, dass es wenigstens stimmt.“
Zerknirscht folgte Patrizia den beiden Lehrerinnen zum Aufenthaltsraum der ersten Klasse. Sie hielt sich im Hintergrund, während Frau Hartmann jetzt die Tür aufriss und das Licht einschaltete.
„Das verstehe ich aber nicht“, stotterte Patrizia und starrte fassungslos in den leeren Raum. „Vielleicht sind sie ja doch in den Schlafsaal umgezogen.“
Aber im Schlafsaal war alles dunkel. Vereinzelt hörte man das Geräusch tiefer Atemzüge und ein feines Schnarchen.
„Wer ist denn da?“, fragte Katie verschlafen. „Frau Roberts, sind Sie das?“
„Nein, ma petite, hier ist Mamsell“, antwortete die Französischlehrerin. „Und Frau Hartmann.“
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Katie.
„Das kann man wohl sagen“, antwortete die Klassenlehrerin mit einem ärgerlichen Blick auf Patrizia. „Aber du musst dir keine Sorgen machen, Katie. Schlaf nur weiter.“
Tatsächlich schliefen nur ganz wenige Erstklässlerin- nen. Sie waren alle viel zu neugierig darauf, ob ihr Streich gelungen war. Zufrieden hörten sie, wie Frau Hartmann zu der völlig verblüfften Patrizia sagte: „Dir allein haben Mamsell und ich eine gestörte Nachtruhe zu verdanken. Wegen nichts und wieder nichts. Aber nachdem du heute Nacht jemanden verraten wolltest - und sogar völlig zu Unrecht, wie sich herausstellte -, wirst du dich morgen nach dem Frühstück bei der Direktorin melden!“
Schlechte Zeiten für die Sechste
Patrizia steckte in Schwierigkeiten, und zwar bis zum Hals! Diese Nachricht sprach sich gleich am nächsten Morgen herum, und niemand hatte einen Funken Mitleid mit ihr. Sie selbst war wütend und ahnte, dass sie hereingelegt worden war. Und diese dumme kleine Sarah hatte dabei mitgemacht und sie mit falschen Informationen gefüttert. Aber das sollte ihr noch Leid tun!
Tatsächlich tat es Sarah schon jetzt Leid. Ihr war klar, was Patrizia von ihr denken musste. Und von den Erstklässlerinnen wurde sie heftig verspottet.
„Sarah, vielen Dank, dass du uns geholfen hast, Patrizia hereinzulegen“, sagte Susanne fröhlich.
„Wenn wir noch mal einen Trottel brauchen, wissen wir ja, an wen wir uns wenden können“, kicherte Daphne.
„Du Blödmann!“, lachte Dora höhnisch. „Hast du wirklich gedacht, dass wir ausgerechnet dir unser Geheimnis verraten würden? Du gehörst doch gar nicht zu uns!“
„Geh lieber woanders hin, um zu heulen“, sagte Katie mitleidlos, als Sarah zu schlucken begann. „Vielleicht tröstet dich ja deine gute Freundin Patrizia.“
Nach der langen und unangenehmen Unterredung mit Frau Theobald hätte Patrizia allerdings selbst gut Trost gebrauchen können. Über jede Schwäche ihres Charakters - und die Direktorin hatte einige Schwä- chen gefunden - hatten sie sich ausgiebig unterhalten.
„Du hattest also erfahren, dass die Erste eine Party geplant hatte, und wolltest sie platzen lassen“, sagte Frau Theobald eisig. „Aber anstatt gleich selbst zu den Mädchen zu gehen und die Sache zu verhindern, wolltest du lieber warten, bis die Party begonnen hatte, um sie dann zu verraten. Ich bin geradezu froh, dass die anderen das herausgefunden haben. Du bist eine Quertreiberin, Patrizia. Aber diesmal hast du dir damit selbst die meisten Schwierigkeiten bereitet. Ich kann nur hoffen, dass du jetzt einmal ganz genau und rückhaltlos über dich nachdenkst. Und dass du alles daran setzt, dich zu ändern. Für die nächsten drei Wochen bist du jedenfalls von den Sprechstunden ausgeschlossen. Du wirst dich nicht mit den Problemen anderer Schülerinnen beschäftigen, bevor du nicht deine eigenen gelöst hast. Geh jetzt, Patrizia, und wenn wir uns in diesem Schuljahr noch einmal in so einer Angelegenheit sehen, werde ich noch strengere Maßnahmen ergreifen müssen.“
Anstatt sich Frau Theobalds Worte zu Herzen zu nehmen, war Patrizia verbittert und wütend. Und ihre Bitterkeit richtete sich gegen alle, die ihrer Ansicht nach Schuld an ihrem Unglück hatten. Nachdem sie das Zimmer der Direktorin verlassen hatte, machte sie sich zuerst einmal auf die Suche nach Sarah.
Das Mädchen stand allein und verlassen auf dem Hof und sah zu
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