Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
verstört. „Gestern hast du doch noch ganz anders gesprochen. Du warst es doch selbst, der hier reinen Tisch machen wollte.“
Edward Fann nahm einen hastigen Schluck aus seinem Weinglas. Seine Blicke gingen ins Leere. „Wir müssen“, sagte er stockend, „noch einen angefangenen Auftrag zu Ende bringen. Es handelt sich um die Pläne für das Atomschiff, das in der Barcley Werft gefertigt wird. Wir haben einen Mittelsmann in der Barcley Werft sitzen. Er muß nur noch etwas mürbe gemacht werden. Vielleicht kann das eine der Damen besorgen. Hazel King zum Beispiel, oder Esther Valley . . .“
Er konnte nicht weitersprechen. Am Tisch erhob sich lärmender Tumult. Seine Freunde schrien ihn einfach nieder. Edward Fann blickte stumpfsinnig vor sich hin.
Fingal, dachte er bedrückt. Ich kann mich nicht gegen sie durchsetzen. Sie werden mich auslachen und verspotten. Ich habe nicht das verbrecherische Format von Antony Ich mache mich nur lächerlich in ihren Augen.
Laut sagte er: „Wir sind in den Erpresserhänden ausländischer Agenten. Antony Fingal war auch nur ein Werkzeug ihrer Teufelskünste. Es nützt uns gar nichts, daß er tot ist. Wir müssen auf dem alten Gleise weiterfahren. Ob wir wollen oder nicht. Wir haben uns schon viel zu tief . . .“
„Nichts haben wir“, schrie Ernest Barnham zornig. „Erst gestern wurde beschlossen, daß wir gemeinsam alles ableugnen wollen, was wir jemals taten. Wenn du weiterhin diesen Agenten gehorchen willst, dann tue es. Aber wir machen nicht mit. Du wirst ganz allein stehen.“
So wird es auch sein, dachte Edward Fann niedergeschlagen. Der Klub treibt seiner Auflösung entgegen. Niemand kann diese Leute mehr Zusammenhalten. Aber ich . . . ich allein werde seinem Befehl gehorchen. Sonst wird er seine Drohung wahr machen. Er nahm noch einmal einen verzweifelten Anlauf. „Hört mir bitte zu“, sagte er demütig. „Ich persönlich bin noch der gleichen Meinung wie gestern. Aber da kam etwas dazwischen, das mich von einer Sekunde zur anderen . . .“
Sie ließen ihn nicht ausreden. Sie glaubten ihm nicht. Sie wollten nicht von neuem ihren Kopf in die Schlinge stecken.
„Wenn du die Pläne haben willst“, rief Randolph Acton verächtlich, „so hole sie dir selbst. Was sitzt du denn noch hier? Geh doch! Wir sind glücklich, wenn wir dich nicht mehr sehen.“ Edward Fann erhob sich müde von seinem Stuhl. Mit einem wehmütigen Blick streifte er die Silberplatten auf der Anrichte. Sie werden jetzt feiern, wenn ich weg bin, dachte er verbittert. Es kümmert sie nicht mehr, was aus mir wird. Sie werden mich nicht mehr in ihren Reihen dulden. Sie jagen mich weg wie einen räudigen Hund. Müde und mit hängenden Schultern verließ er das graue Haus am Ruskin Wall. Als er durch das dunkle Gemäuer schritt, hörte er plötzlich hastige Atemzüge in seinem Rücken. Wie gelähmt blieb er stehen. Unruhig spähte er in das graue Zwielicht. Beklommen blickte er auf den Mann, der geräuschlos an seine Seite trat. Es war der Fremde, den er mehr fürchtete als den Teufel. Das harte Gesicht mit den seltsam verschleierten, unruhig flackernden Augen wandte sich ihm mißtrauisch zu.
„Haben Sie Ihren Auftrag vergessen?“ fragte die blecherne Stimme schroff. „Wollen Sie etwa kneifen? Sie wissen doch hoffentlich, welche Strafe auf Verrat steht?“
Edward Fann schauerte furchtsam zusammen.
„Ich habe nichts vergessen“, würgte er hervor. „Ich werde es tun. Ich suche nur noch nach einer geeigneten Helferin.“
„Nehmen Sie Miriam Davis“, schlug der Fremde vor. „Antony Fingal war immer sehr zufrieden mit ihr. Sie ist geschickt und verschwiegen.“
„Gut. Ich werde gleich in die Venus Bar gehen“, murmelte Edward Fann verwirrt.
Er tat wieder ein paar Schritte. Er versuchte, seinen Begleiter abzuschütteln. Hastig schritt er durch das Gemäuer des Ruskin Walls. Ein paar Sekunden später war er allein. Der andere war zurückgeblieben. Er hatte sich im Nebel aufgelöst, als wäre er ein unwirkliches Phantom. Edward Fann murmelte bedrückt vor sich hin. Er war am Ende seiner Kraft und seines Mutes. Er hatte jetzt schon das Gefühl, daß ihm nichts gelingen würde. Es mußte ja schiefgehen, denn er war viel zu schwach und hilflos. Er hatte keinerlei Zuversicht. Als er die Venus Bar am Madras Viaduct betrat, wirkte er wie ein alter Mann. Gebeugt und mit schleppenden Schritten ging er in die Bar. Er zwängte sich zwischen Venustöchter und leichte Flittchen und wartete auf
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