Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
Vielleicht bleibt uns dann dieser Schurke endlich zwischen den Fingern.“
„Ich weiß noch etwas“, lächelte Morry. „Da ist dieser Edward Fann, der heute Nacht in seiner Wohnung ermordet aufgefunden wurde. Er war der letzte, der diesem Teufel gehorchte. Die anderen wollten nicht mehr. Sie lassen sich nicht mehr erpressen.
Wenn dem aber so ist, so muß dieser gefährliche Hintermann in Zukunft alles allein tun. Er hat keine Handlanger mehr. Er wird auch die Pläne aus der Barcley Werft selbst beschaffen müssen. Diese Werft ist also der zweite Ort, wo wir den schurkischen Täter einkreisen können.“
„Woher wissen Sie denn das alles, Sir?“ fragte Wachtmeister Offort verblüfft.
„Ich habe“, sagte Kommissar Morry schmunzelnd, „gestern Abend die Unterhaltung im Beratungszimmer des Klubgebäudes belauscht. Leider konnte ich Edward Fann nicht mehr retten. Ich kam um ein paar Minuten zu spät.“
„Los, Sir!“ rief Wachtmeister Offort in glühendem Diensteifer. „Wir machen uns sofort auf die Beine. Man muß das Eisen schmieden, solange es heiß ist.“
„Lassen Sie sich Zeit“, winkte Morry ab. „Es eilt nicht. Nach Feierabend können Sie sich wieder bei mir melden. Dann werden wir mal dem Hafenviertel einen längeren Besuch abstatten.“
*
Am Abend dieses ereignisvollen Tages saß Sam Berry mit seinen Freunden im Hinterzimmer von Lizzy’s Hafenkneipe zusammen. Er wirkte um Jahre gealtert. Sein Gesicht sah kränklich, blaß und verfallen aus. Bei jedem Geräusch fuhr er nervös in die Höhe. Eine fiebernde Unruhe erfüllte ihn. Seine Blicke gingen ins Leere.
„Eh, was hast du?“ fragte Bing Gospel. „Du erinnerst mich an ein altes Marktweib. Wenn ich soviel Silber in der Tasche hätte wie du, würde ich mir jeden Tag ein Fest machen.“
„Ich denke an Guy Hamper“, murmelte Sam Berry tonlos. „Er hat seinem Auftraggeber etliche Dienste geleistet, und trotzdem wurde ihm eine gelbe Seidenschnur verpaßt. Wenn ich daran denke, daß ich eines Tages genauso in einer Ecke lehne wie er . . .“
„Wovon redest du überhaupt?“ fragte Bing Gospel verständnislos.
„Ach was“, brummte Sam Berry niedergeschlagen. „Ihr kapiert es ja doch nicht. Gebe euch einen Tip, Boys! Laßt euch nie von diesem Satan kaufen. Pfeift auf sein Geld! Wenn ihr im Sarg liegt, nützt es euch auch nichts mehr.“
Er legte schwerfällig die Arme auf den Tisch und stierte trübsinnig in sein Glas. Mit keinem Wort beteiligte er sich mehr an der Unterhaltung. Er brütete finster vor sich hin. „Hallo, Mr. Berry“, erklang da plötzlich neben ihm eine helle Stimme. „Sie sollen mal in den Hof hinaus kommen. Ein Fremder möchte Sie sprechen.“
„Na also“, stieß Sam Berry heiser hervor. „Ich habe es ja gewußt. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet.“
Er erhob sich widerwillig, nahm im Stehen noch einen Schluck aus seinem Glas und ging dann zaudernd dem Hinterausgang zu. „Sollen wir nicht mitkommen?“ rief ihm Bing Gospel nach. Der Vorschlag war gut gemeint, aber Sam Berry wehrte ab. Er wollte den anderen nicht von allem Anfang an mißtrauisch machen. Er hatte nur dann eine Chance, wenn er zu allen Aufträgen Ja und Amen sagte. Unsicher tappte er in den finsteren Hof hinaus. Er kniff die Augen zusammen und spähte blinzelnd in die Dunkelheit.
„Wo sind Sie?“ raunte er nervös. „Hallo, geben Sie Antwort!“
Ein grauer Schatten löste sich aus dem Winkel zwischen Kohlenschuppen und Brandmauern. Lautlos wie ein körperloses Schemen kam er näher. Seine Stimme klang blechern und scharf wie immer.
„Sie haben schlecht gearbeitet“, schnarrte er vorwurfsvoll. „Das Modellschiff wurde so gut wie nicht beschädigt. Warum brachten Sie die Kapsel nicht auf dem Schiff selbst unter?“
„Es ging nicht, Sir“, stammelte Sam Berry. „Ich kam nicht an die Brücke heran. Zehn, zwölf Posten waren in der Dockwerft versammelt.“
Der Fremde horchte kaum auf das törichte Gestammel.
„Ich habe einen neuen Auftrag für Sie“, schnarrte er ungeduldig. „Sie werden noch heute nacht in das Hauptbüro der Barcley Werft einbrechen. Hier haben Sie eine Skizze. Sie werden den Wandtresor aufsprengen und . . .“ Sam Berry trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
„Ich kann das nicht tun, Sir“, brach es verstört von seinen Lippen. „Ich habe noch nie einen Tresor auf gemacht. Ja, wenn Guy Hamper noch leben würde, dann würden wir es vielleicht zusammen schaffen. Aber allein . . .“
„Sie
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