Kommissar Morry - Der Tod war schneller
wandten sich dem Chefzimmer zu. Nach kurzem Klopfen durften sie eintreten. Lucius Banim blieb hartnäckig an der Seite des Kommissars. Er dachte gar nicht daran, sich wieder zu empfehlen. Neugierig spitzte er die Ohren.
„Ich habe drei Fragen an Sie zu richten", sagte Morry wortkarg. „Erstens: Hörten Sie irgendwelche Gerüchte, daß Ihr früherer Angestellter Clark Dixon den Raubüberfall auf sich nur vortäuschte, um in den Besitz von achtzigtausend Pfund zu kommen?"
Ashley Bienheim glaubte nicht richtig gehört zu haben. Überrascht blickte er den Kommissar an.
„Das glauben Sie doch selbst nicht, Sir", stieß er kopfschüttelnd hervor. „Clark Dixon war immer ein korrekter Beamter. Er tat bis zuletzt seine Pflicht. Ich könnte mir nicht vorstellen, daß er eine derartige Schurkerei ..."
„Es ehrt Sie, Mister Bienheim, daß Sie Clark Dixon auch nach dem Tod noch verteidigen. Aber Sie dürfen mir ruhig glauben. Clark Dixon war ein Dieb und Betrüger. Nun zur zweiten Frage, Mister Blenheim. Wußten Sie, daß Clark Dixon eine Freundin hatte?"
„Nein, Sir. Davon habe ich nie etwas gehört. Ich muß allerdings zugeben, daß ich mich für das Privatleben meiner Angestellten nicht interessiere."
„Er soll eine Freundin gehabt haben?" fragte Lucius Banim mit hochrotem Kopf. „Wie hieß denn das Mädchen?"
„Olga Marat. Die junge Dame ist häufig im Cafe Vienna zu treffen. Sie stellt anscheinend hohe Ansprüche an ihre Verehrer. Nun, Clark Dixon hatte ihr ja auch allerhand zu bieten. Er besaß immerhin die stattliche Summe von achtzigtausend Pfund."
„Es ist nicht zu fassen", murmelte Ashley Blenheim peinlich berührt. „Wenn solche Dinge in die Öffentlichkeit dringen, ist es mit dem guten Ruf unserer Bank vorbei."
„Ich habe noch eine dritte Frage", sagte Morry kurz angebunden. „War Ihnen bekannt, daß auch Mary Dixon ihren Mann betrog?"
„Unmöglich", stieß Ashley Bienheim erschüttert hervor. „Das ist unmöglich, Sir. Ich habe Mary Dixon öfter auf unseren Veranstaltungen getroffen. Sie lebte doch nur für ihren Mann. Sie sah einen ändern überhaupt nicht an."
„Was ist Ihre Meinung?" fragte Morry den Abteilungsleiter.
„Ich vertrete die gleiche Ansicht", erwiderte Lucius Banim hastig. „Mary Dixon war immer sehr zurückhaltend. Niemand hat sie je mit einem anderen Mann gesehen."
Morry zog den Brief hervor, den er in der Handtasche Mary Dixons gefunden hatte. Er legte ihn auf den Schreibtisch.
„Das ist ein Schreiben ihres Liebhabers", murmelte er. „Sehen Sie sich die Schrift an, Mister Blenheim. Sind Ihnen diese Züge bekannt? Schreibt einer Ihrer Bankbeamten eine so steile Schrift?"
Ashley Bienheim musterte den Brief eingehend von allen Seiten.
„Ich kann das im Augenblick nicht entscheiden", sagte er unschlüssig. „Könnten Sie mir den Brief nicht dalassen, Sir? Ich würde dann Schriftproben von meinen Angestellten sammeln und sie mit dieser Briefaufschrift vergleichen."
„Tun Sie das", sagte Morry eifrig. „Ich wäre Ihnen sehr dankbar für die Erledigung dieser schwierigen Aufgabe. Wann kann ich mit Ihrem Bescheid rechnen?"
„Übermorgen."
„Gut", sagte der Kommissar erfreut und verabschiedete sich.
Lucius Banim begleitete ihn hinaus in die Schalterhalle. Er wich keinen Zoll von seiner Seite. Er blieb plötzlich stehen und deutete auf einen Schreibtisch zur Linken.
„Hier, Kommissar", raunte er mit gehässiger Stimme. „Ich würde Ihnen raten, sich diesen Mann etwas näher anzusehen. Er heißt Albert Korda und trat erst vor wenigen Tagen bei uns ein. Er fährt einen teuren Wagen und kann sich die elegantesten Anzüge leisten, obwohl er ständig arbeitslos war. Vielleicht hat er mit Clark Dixon zusammengearbeitet? Vielleicht ist er nur zu uns gekommen, um einen neuen Schlag vorzubereiten?"
Morry lächelte nur still vor sich hin. Er hatte merkwürdigerweise überhaupt kein Interesse für den kleinen Angestellten Albert Korda.
17
Olga Marat saß auch an diesem Abend in ihrer geliebten Polsternische im Cafe Vienna. Das Lokal war heute ziemlich besetzt. Fast nirgends war mehr ein Plätzchen frei. Nur Olga Marat genoß den Vorzug, allein an ihrem Tisch sitzen zu dürfen. Dann aber kam plötzlich ein Kellner zu ihr her und murmelte eine Entschuldigung.
„Verzeihen Sie, Miß Marat", sagte er unterwürfig. „Würden Sie heute nicht einmal eine Ausnahme machen? Da ist ein Herr, den wir nirgends mehr unterbringen. Darf er an Ihrem Tisch Platz nehmen?"
„Warum
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