Kommissar Morry - Dunkle Maechte
unseren Jolly verdächtigen, Mister Prac? Da sind Sie auf dem falschen Weg, Jolly ist uns treu ergeben.“
„Das können Sie nicht wissen“, kam die bissige Entgegnung.
„Doch, das weiß ich. Ich kenne Jolly schon viele Jahre, Herr Untersuchungsrichter, Jolly ist ein gutmütiger Bursche, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte.“
„Sooo?“ kam es gedehnt von den Lippen des kahlköpfigen Mannes, „einer Fliege vielleicht nicht.“
„Hören Sie schon auf“, empörte sich Richard Withman gegen diese Unterstellung, „und lassen Sie Jolly zufrieden.“
„Für einen Knecht sind einhundertundzehn Pfund ein Vermögen“, gab der Untersuchungsrichter zu bedenken.
„Schweigen Sie endlich“, sagte Richard Withman heftiger als er gewollt hatte, „ich habe sehr oft viel mehr Geld im Hause gehabt. . . Jolly weiß, wo ich es aufbewahre . . . wenn er danach getrachtet hätte, mich zu berauben, hätte er dazu genug Gelegenheit gehabt.“
„Es gehört nun einmal leider zu meinem Beruf“, entgegnete der Untersuchungsrichter, „jeden Menschen verdächtigen zu müssen. Wenn Ihr Knecht ein einwandfreies Alibi hat, ist ja alles in Ordnung. Ich bin gezwungen, jeder Spur nachzugehen und kann dabei keinerlei Rücksicht nehmen. Sie müssen doch zugeben, daß es eigenartig ist, daß Ihr guter Jolly nicht gefunden wird.“
Müde schloß Richard Withman die Augen. „Ich selbst habe ihm gestern den Auftrag gegeben, die Pferde zum Beschlagen zu bringen, er wird sicher bald zurückkommen.“
Plötzlich sprang der Untersuchungsrichter — nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte — erregt auf, und erklärte hastig: „Donnerwetter, ich muß ja um elf Uhr beim Kriminalrat sein, entschuldigen Sie mich bitte, meine Herren, ich habe es sehr eilig. Sie, Inspektor, möchte ich bitten, mich nachmittags aufzusuchen, wir können dann alles Nötige miteinander besprechen.“
Schnell verschwand der diensteifrige George Prac. Ein kaum merkbares Lächeln huschte über die Lippen des Inspektors. Er wußte ganz genau, daß der Untersuchungsrichter danach trachtete, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um mit seiner jungen Frau das Mittagessen gemeinsam einzunehmen.
Die zurückgebliebenen drei Männer atmeten sichtlich befreit auf, und nun, wo die alten Freunde sich allein gegenübersaßen, entstand sofort eine andere Atmosphäre, die der Vertrautheit. „Mein alter Freund“, sagte James Webb und ergriff die Hände des alten Wirtes, „ich verstehe deinen Schmerz ganz und gar.“
„Ich danke dir, James“, flüsterte mit Tränen in den Augen der Wirt und blickte seinen Jugendfreund dankbar an.
Plötzlich drehte sich der Inspektor mit einer jähen Bewegung herum und während er John Withman durchdringend ansah, forderte er mit energischer Stimme: „Sie haben doch sicherlich noch Ihre Fahrkarte . . . darf ich sie einmal sehen?“
Vater und Sohn wußten nicht, daß der Inspektor vorhin die Gelegenheit ergriffen hatte, um sich einige Minuten mit der alten Magd zu unterhalten. Von ihr hatte er so einiges erfahren, das sein Verhalten dem jungen Withman gegenüber entscheidend beeinflußte. Vor allen Dingen hatte die Alte ihm erzählt, daß John im vergangenen Jahr seine Schwester bedrängt habe, um sie zu küssen. Er sollte sich Patricia nach den Angaben der Alten des öfteren genähert haben. Mit zitternden Händen zog der junge Withman seine Brieftasche hervor und als er sie öffnete, konnte er es nicht verhindern, daß ein Bündel Geldnoten zu Boden flatterte. Bevor er sich bücken konnte, hatte sich schon James Webb niedergebeugt, die Scheine an sich genommen und wollte sie gerade dem jungen Mann zurückgeben, als die weit aufgerissenen Augen des alten Wirtes ihn daran hinderten.
„Was ist los, Richard?“ fragte er erregt.
Mit einer jähen Bewegung riß Richard Withman dem Inspektor die Geldscheine aus der Hand, zählte sie durch und dann brüllte er wie ein Tier auf: „Du Hund“, schrie er und schlug wie ein Rasender auf seinen Stiefsohn ein, „du hast Patricia ermordet ... du Schurke ... du elender Lump. . .“
Mit hängenden Armen stand John Withman da. Widerstandslos ließ er alles über sich ergehen. Er blutete schon aus Nase und Mund, aber er wehrte sich nicht.
Inspektor Webb beobachtete alles mit scharfen Augen. Als aber der alte Wirt in seiner hemmungslosen Wut Anstalten traf, die Mordwaffe zu ergreifen, riß ihn der Polizeibeamte mit einer harten Bewegung zurück.
„Bist du
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