Kommissar Morry - Dunkle Maechte
es war eine Brieftasche, ein Schlüsselbund, zwei Taschentücher und etwas Kleingeld „Führen Sie den Mann ab“, befahl James Webb, „und vergessen Sie nicht, bevor er in die Zelle geführt wird, Hosenträger und Schnürsenkel abzunehmen.“
Jetzt mußte Jim Rachow etwas tun, was seiner Natur zuwider war. Aber Befehl war Befehl. Entschlossen ergriff er die linke Hand John Withmans und ließ um das Gelenk die eine Hälfte der stählernen Acht einschnappen... Die andere Hälfte legte er um sein eigenes Handgelenk. Jetzt konnte der Mordverdächtige unmöglich entfliehen. Mit gesenktem Kopf verließ John Withman an der Seite des Kriminalassistenten die Gastwirtschaft. Kaum befanden sie sich auf der Straße, flehte John Withman: „Erspare mir diese Schmach, Jim! Lege wenigstens deinen Mantel um unsere Handgelenke...“
Wortlos tat es der junge Kriminalassistent. „Ich danke dir, Jim“, flüsterte John Withman, „du bist ja doch noch der alte, treue Freund.“
„Ich bin an erster Stelle Kriminalbeamter, John“, kam es kalt von den Lippen Jim Rachows, „merke dir das.“
„Also auch du“, stöhnte John Withman, „das hätte ich nicht geglaubt. In Erinnerung an die früheren Zeiten bitte ich dich, Verständnis für mich zu haben, ich habe Patricia nicht umgebracht, sieh mich ruhig spöttisch an ... es sind alles nur böse Zufälle, die sich bestimmt eines Tages auf klären werden.“
Unschlüssig blickte Jim Rachow seinen Jugendfreund an. Aber die Beweise gegen John Withman waren so eindeutig, daß es James Webb ein leichtes sein würde, John Withman zu überführen. Jim Rachow wußte auch, daß der Jugendfreund für seine Stiefschwester mehr empfunden hatte, als nur brüderliche Zuneigung. Wie oft hatte John früher mit anderen jungen Männern wegen Patricia Differenzen gehabt, alles nur, weil er eifersüchtig auf diese gewesen war. Daran mußte jetzt der Kriminalassistent denken . . .
Stumm schritten die beiden Männer Seite an Seite dahin. Nach einigen Minuten versuchte John Withman den Jugendfreund von seiner Unschuld zu überzeugen, doch als er bemerkte, daß dieser kaum auf seine Worte achtete, verstummte er wieder.
Nachdem Jim Rachow in der Gefängniszelle die Fesseln gelöst hatte, blieb er einige Sekunden unbeweglich stehen und blickte dem anderen fest in die Augen, dann flüsterte er fast beschwörend: „Ich würde dir raten, dir einen sehr guten Rechtsanwalt zu nehmen . . .“
„Schere dich zum Teufel“, knurrte John Withman den anderen an, „ich weiß allein, was ich zu tun habe. Einen tüchtigen Anwalt“, höhnte er, „gibst du mir das Geld dazu?“
„Vielleicht tun das deine Freunde aus dem ,Haifisch'“, stieß Jim Rachow mit scharfer Stimme aus, „es wäre gut für dich, wenn du dich auf ihre Namen besinnen würdest.“
Stumm kehrte John Withman dem Beamten den Rücken. Erst als die Tür ins Schloß fiel, begab er sich zu dem vergitterten Fenster und blickte zum Himmel hinauf.
*
Inspektor Webb erwartete den Hausknecht Jolly. Eine lähmende Stille herrschte im Hause. Mit vorgeneigtem Kopf lauschte James Webb. Als er keinen Laut vernahm, machte er sich wirklich ernsthafte Sorgen um seinen alten Freund. Mit schnellen Schritten verließ er das Gastzimmer. Als er in der Küche die alte Magd traf, brauchte er gar keine Frage zu stellen, denn die Alte deutete sofort auf die Wohnzimmertür und flüsterte: „Mister Withman hat sich eingeschlossen. Bitte, Herr Inspektor, kümmern Sie sich doch um ihn.“ Im jähen Schmerz jammerte sie: „Der arme Herr, der arme Herr ... er war immer so gut zu mir . .. aber ich habe ihm schon früher gesagt, daß er den jungen Herrn viel zu sehr verwöhne... er hätte ihm lieber ab und zu eine Tracht Prügel geben sollen ... aber nein, immer wieder hat er ihm Geld geschickt, daß der Schurke mit leichten Frauenzimmern durchgebracht hat.“
„Woher weißt du das denn?“ fragte James Webb gespannt.
„Ich habe ihn selbst einmal in London mit solch einem Frauenzimmer gesehen, Herr Inspektor ... ich habe es auch Herrn Withman gesagt, aber der hat nur gelacht und erklärt, der Junge solle sich ruhig die Hörner ablaufen, er käme schon noch früh genug zur Vernunft . . .“
„Es ist schon gut“, unterbrach sie unwillig der Inspektor, „doch nun sag mal, Helen, wo war Jolly eigentlich gestern Abend ... etwa gegen acht Uhr . . .“
Einen Moment dachte die Alte nach, dann sagte sie zögernd: „Bei mir in der Kammer, ich habe Jolly die Karten
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