Kommissar Pascha
konfrontiert. Die extrem scharfen Bilder waren ohne Ton. Er bewegte sich nicht. Demirbilek ging Schritt für Schritt näher an das Bild. Deutlich konnte er Aydin atmen sehen. Seine Augen waren geschlossen. Selbst seine langen Wimpern waren zu erkennen. Sie zuckten unmerklich. Du träumst schlecht, mein Sohn, sprach er in Gedanken zu ihm, das ist gut. Verarbeite es wie einen schlechten Traum. Ich verspreche dir, ich hole dich da raus, wo immer du bist.
Ohne das Videobild zu kommentieren oder zu fragen, wie es in den Konferenzraum gelangen konnte, drehte er sich zur Runde der zehn Beamten um.
»Danke, dass ihr alle da seid. Ihr wisst sicher schon, dass ich den Einsatz vor der islamischen Gemeinde abgebrochen habe. Zu eurer Information: Ich habe eben Weniger gesagt, dass ich die Geldtasche an mich genommen habe. So viel dazu«, gab er kategorisch bekannt. »Irgendwelche Ideen, wie wir die Geisel finden können? Der Entführer ruft in einer Stunde wieder an.« Der Sonderdezernatsleiter sprach, als würde er einen ganz normalen Fall behandeln.
Leipold meldete sich sofort, doch bevor er auch nur einen Ton herausbrachte, erstarrte er.
Ein Raunen ging durch den Raum.
Auf der Leinwand trat ein Mann ins Bild. Die Beamten bekamen den Rücken des Deutschen zu sehen. Er trug Jeans, Jeansjacke und schwere Stiefel. Über seinen Kopf hatte er eine olivgrüne Mütze gezogen, an der Seite hingen die Kabel seiner Ohrhörer herunter. Er wippte leicht mit dem Kopf. Die Beamten hatten den Eindruck, als würde er Musik hören. Der Mann schien genau zu wissen, was die Kamera für das Publikum festhielt. Gut sichtbar für alle drehte er den Schraubverschluss einer Plastikflasche auf. Dann machte er einen halben Schritt zur Seite, um das Bild auf seine Geisel freizugeben. Der Deutsche wippte weiter mit dem Kopf. Er schien auf eine bestimmte Stelle in der Musik zu warten, schließlich holte er aus. Aydin schreckte von den Wasserspritzern auf. Er zerrte an seinen Fesseln. Versuchte, den Knäuel aus dem zu Mund würgen, um mit der Zunge das Wasser aufzufangen. Das Würgen und Spucken war sinnlos. Der Knäuel blieb fest in seinem Mund.
Demirbilek blieb der Anblick seines leidenden Sohnes erspart. Er hatte sich nicht zur Leinwand umgedreht, sah stattdessen direkt in die Augen der erschrockenen Beamten.
Vierkant schließlich schaltete die Beamerprojektion ab und bat die Computerspezialistin, das Videobild am Monitor zu verfolgen.
Leipold schluckte betroffen, bevor er wieder das Wort ergriff.
»Soweit wir wissen, ist der Deutsche ein professioneller Killer. Er wird Aydin nichts tun, solange er die Chance hat, an das Geld heranzukommen. Wie sollst du es ihm übergeben, Zeki?«
»Das erfahre ich in knapp einer Stunde, Pius.«
Der Beamte, der die Spur zur türkischen Armee verfolgt hatte, meldete sich.
»Zeki, ich sollte das vielleicht nicht so offen sagen … Gib dem Arschloch einfach das Geld. Ist doch ohnehin von seinem Auftraggeber«, sagte er mit betroffener Stimme. »Jeder von uns würde das verstehen. Es geht schließlich um deinen Sohn.«
»Danke für deine Offenheit. Ehrlich gesagt, genau deshalb habe ich die Geldtasche an mich genommen. Ich gebe dem Arschloch liebend gerne das Geld für das Leben meines Sohnes. Aber wir haben knapp eine Stunde Zeit. Wir können den Mistkerl fassen. Er hat in unserem Zuständigkeitsbereich einen Menschen getötet und eine Kollegin angeschossen. Wahrscheinlich gehen elf weitere Morde auf sein Konto. Die Dunkelziffer ist vermutlich ziemlich hoch … Kommt, lasst uns überlegen, wo er die Geisel festhalten könnte.«
Da klingelte sein Handy. Er entschuldigte sich mit einer Geste. Auf dem Weg in die Einsatzzentrale hatte er Gül Güzeloğlu auf das Band gesprochen, nun rief sie zurück.
»Efendim«,
sagte er ins Telefon.
»
Komiser Bey,
ich habe mich erkundigt. Der Deutsche ist ein Einzelgänger. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er im Team arbeitet. Er ist das erste Mal in München und kennt auch niemanden dort. Aber das ist nur eine Vermutung. Es tut mir leid, mehr konnte ich nicht herausfinden.«
Demirbilek bedankte sich, legte auf und gab die Informationen an das Team weiter.
Vierkant meldete sich zu Wort. »Wenn man in einer Stadt fremd ist, was kennt man dann? Das Hotel, wo man wohnt. Die Sehenswürdigkeiten … was weiß ich … den Bahnhof oder den Flughafen … die großen Plätze, Marienplatz … ach, ich weiß nicht«, gab sie verzweifelt auf.
Leipold stand auf. »Wir haben
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