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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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meine Frau? – all diese Jahre, in denen ich Claras Essen heruntergeschlungen habe wie ein undankbarer Wicht. Jetzt esse ich, keine Ahnung, wie man das nennen soll. Ein schönes Wort für das Essen hier fällt mir nicht ein. Ich sehe mir jeden Tag die Kochshow im Fernsehen an. Cordon bleu. Was gäbe ich für einen Happen Cordon bleu.»
    «Ich habe Clara gekannt», sagte Samson.
    «Du hast Clara gekannt?»
    «Sicher.»
    «Du hast gegessen, was sie gekocht hat?»
    «Ziemlich oft.»
    Es stimmte, sie war eine gute Köchin gewesen, nur etwas ungeschickt. Alles, was sie auf den Tisch brachte, war in eine Art Glasur gepackt, nicht fett, aber wie mit geschmolzenem Glas oder Zucker überzogen. Das Brathähnchen, die Karotten, die Ananas im Schlafrock, alles hart und glänzend wie Edelstein.
    «Sag nur, sie ist keine hervorragende Köchin», sagte Max, verloren im Zwielicht der Gegenwart.
    «Doch, sie war hervorragend. Eine sehr gute Köchin.»
    «Die beste.»
    «Du siehst gut aus, Max», log Samson.
    «Ich fühle mich einigermaßen. Es gab eine Zeit, da konnte man sagen, ich sähe gut aus. Das ist lange her. Die Leute sagten es. Wenn ich irgendwo reinkam, sahen sie mich und sagten: ‹Schau, was für ein schöner Mann.› Ich hätte jedes Mädchen haben können.»
    Max wurde still, und Samson fragte sich, über welche Vision von weiblicher Schönheit sein Großonkel im Dunkel seines Geistes wohl eben gestolpert sein mochte. Einen Moment war Max abgetaucht, dann kehrte er an die Oberfläche zurück.
    «Aber ich liebte Clara. Sofort, auf den ersten Blick, wusste ich, das war die Richtige. Sie saß draußen in der Sonne und wickelte ein Sandwich aus dem Butterbrotpapier. Sie trug ein graues Kleid.»
    «Wirklich.»
    «Grau, sagte ich. Und tailliert.» Max klopfte sich aufs Knie, und wieder verfiel er in Schweigen.
    Es schien unklug, ihn mit Erinnerungen zu bedrängen, Verwirrung und Panik zu riskieren. Aber wenn es für Samson überhaupt eine Chance gab, herauszufinden, wo seine Mutter begraben war, musste er Max in die richtige Richtung stupsen. Er zog den Stuhl näher heran und legte, leichten Druck ausübend, eine Hand auf seine. Die Sonne verkroch sich hinter einer Wolke, und das Ohr des alten Mannes glimmte und erlosch.
    «Du sagst, du hast meine Frau gekannt?», fragte Max aufblickend.
    Samson versuchte das Gespräch auf seine Mutter zu lenken. Er erinnerte Max daran, dass sie seine Lieblingsnichte gewesen sei, an den Hang zu Süßigkeiten und die Begeisterung für Musicals, die er mit ihr teilte. Wie seine Mutter Klavier gespielt und Max sie mit seinem vollen Tenor begleitet hatte. Wie sie Duette von Cole Porter, den Gershwin-Brüdern, Rodgers und Hammerstein gesungen und alle, die sie hören wollten, bestens unterhalten hatten, am besten aber sich selbst. Lange nachdem die anderen ins Bett gegangen waren, hatten sie weitergemacht, die fröhlichen Akkorde mit ihrem Gelächter mischend. Wie oft war Samson nicht spät abends auf der Couch eingeschlafen, während Melodien aus A Chorus Line oder Anything Goes ihm in die Träume folgten. Später nahm seine Mutter ihn auf den Arm und trug ihn, immer noch leise summend, zum Auto.
    «Beth? Sicher. Süße Kleine. War ganz wild aufs Steppen», sagte Max.
    Samson drückte Max’ Hand kräftiger, trieb ihn in die Gegenwart zurück.
    «Beth ist gestorben, Onkel Max. Erinnerst du dich? Vor ungefähr fünf Jahren.»
    Max kniff die Augen zusammen und zog seine Hand weg. Er schien verletzt von dieser kruden Tatsachenbeschreibung.
    «Magst du Schokolade?», wechselte er mit gesenkter Stimme das Thema. «Zufällig habe ich welche auf meinem Zimmer. Keine Hershey’s, die andere Sorte. Ich darf sie nicht essen. Hoher Blutdruck. Aber zufällig habe ich welche, woher, verrate ich nicht.» Dann fügte er wie zur Vergeltung hinzu: «Ich sag dir, wer Schokolade mochte: die Kleine von meiner Schwägerin, Beth. Sie liebte Schokolade. Sie hatte diese Schuhe. Wie nennt man die, Mary Janes. Mit den Eisenplättchen. Man hörte sie über den Flur laufen. Sie tanzte, und dann gab ich ihr Schokolade. Komm – wenn du magst, gebe ich dir welche. Keine Hershey’s.»
    Es war etwas Trauriges und Rührendes an diesem Angebot gewöhnlicher Schokolade – nicht die beste, nicht die typischen Amiriegel, die sie nach dem Krieg auf ausgehungerte Kinder abgeworfen hatten, kistenweise über die Luftbrücke herbeigeschafft und von den Kids mit den Zähnen aufgerissen, nicht die, sondern die andere Sorte, als gäbe es

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