kommt wie gerufen
in Gedanken stets mit Señor de Gamez identifiziert, und doch war es mir gänzlich entfallen, daß er sie mir zugeworfen hat. Nennt man so etwas nicht eine geistige Blockierung?«
Das Telefon schrillte, und Carstairs hob ab. »Carstairs.« Er hörte zu und grinste. »In Ordnung. Danke, Bishop.« Er legte den Hörer auf und lächelte Farrell und Mrs. Pollifax zu. »Der erste Mikrofilm wurde bereits gefunden. Tirpak hat zwei Spiele mit besonders dünnen Karten benützt. Er hat den Rücken der einen Karte an die Vorderseite der anderen geklebt, dazwischen den Film gelegt und das Ganze mit einem speziellen Plastikmaterial überzogen. Falls das eine geistige Blockierung ist, Mrs. Pollifax«, setzte er temperamentvoll hinzu, »dann sei sie gesegnet. General Perdido hätte sofort durchschaut, daß Sie ihm etwas verbergen – falls Sie die Art, wie Sie zu diesen Karten gekommen sind, nicht völlig verdrängt gehabt hätten. Dieser Umstand hat Ihnen bei dem Verhör zweifellos das Leben gerettet, und er hat unserem Land unschätzbare Informationen bewahrt.« Er schüttelte den Kopf. »Mrs. Pollifax, wir stehen in ihrer Schuld.«
Sie lächelte und sagte freundlich: »Wenn ich bloß ein Bad nehmen und andere Kleider haben könnte… Ich wüßte wirklich nicht, was ich mir im Augenblick mehr wünschen könnte.«
Carstairs lachte. »Verlassen Sie sich darauf, daß beide Wünsche noch in dieser Stunde in Erfüllung gehen werden. Und für Sie, Johnny, engagiere ich ein Aufgebot schöner Krankenschwestern.«
Farrell erhob sich mühsam und ging zu Mrs. Pollifax. Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuß. »Ich sage Ihnen nicht Lebwohl, Herzogin, das brächte ich einfach nicht fertig. Wagen Sie es ja nicht, aus Washington abzureisen, ohne mich vorher an meinem Schmerzenslager zu besuchen.«
Mrs. Pollifax blickte zu ihm auf und strahlte ihn an. »Ich werde Ihnen Rosen mitbringen, das verspreche ich Ihnen, mein lieber Farrell, und um Ihnen zu beweisen, wie kurzsichtig und voll Vorurteilen Sie waren, werde ich Ihnen auch ein Spiel Karten mitbringen und Ihnen ein oder zwei Arten des Patiencelegens beibringen.«
Er lächelte nicht, sondern sagte tiefernst: »Das ist ein kleiner Preis für mein Leben, Herzogin… Gott segne Sie, und ich wünsche Ihnen ein wunderschönes Bad.«
Mrs. Pollifax stellte ihren Koffer vor der Tür des Appartements 4-A ab und kramte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, daß sie zuletzt hier gestanden hatte, und es erfüllte sie mit einem geheimen Schauder, daß die Äußerlichkeiten des Lebens so unverändert bleiben konnten, obwohl sie sich so anders als zuvor fühlte. Während sie den Schlüssel ins Schloß steckte, wurde die gegenüberliegende Tür aufgerissen, und das Sonnenlicht fiel auf die schwarzweißen Fliesen des Flurs. »Mrs. Pollifax, da sind Sie ja endlich!« rief Miß Hartshorne.
Mrs. Pollifax gab es einen Ruck. Sie drehte sich um und sagte: »Ja, da bin ich wieder, und wie ist es Ihnen ergangen, Miß Hartshorne?«
»Wie es schon so geht, danke. Sie müssen einen wunderbaren Aufenthalt gehabt haben, wenn Sie so lange geblieben sind.«
»Ja, wunderbar«, nickte Mrs. Pollifax leise lächelnd.
»Ich habe ein Paket für Sie. Es ist heute früh gekommen, und ich habe für Sie unterschrieben.« Miß Hartshorne hob beschwörend die Hand. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck, ich bin gleich wieder da.«
Mrs. Pollifax wartete, und schon kehrte ihre Nachbarin mit einem Paket zurück, das in braunes Papier verpackt und versiegelt war.
»Es ist expreß direkt aus Mexico-City gekommen! Ich gebe Ihnen auch gleich die Zeitung von gestern abend, damit Sie wissen, was sich hier ereignet hat.«
»Sehr lieb von Ihnen«, sagte Mrs. Pollifax »Möchten Sie nicht auf eine Tasse Tee zu mir kommen?«
Miß Hartshorne machte ein entsetztes Gesicht. »Aber ich würde Ihnen doch nie im Leben jetzt zur Last fallen. Schließlich habe ich selbst meine Reiseerfahrungen und weiß, wie erschöpft Sie sein müssen. Ich hoffe nur, Sie laden mich bald ein, damit ich Ihre Diapositive bewundern kann.«
Mrs. Pollifax lächelte und sagte bedauernd: »Ich habe keine Aufnahmen gemacht, dazu war ich zu beschäftigt.«
»Was?« Miß Hartshorne war tief getroffen.
»Jawohl, viel zu beschäftigt. Sie würden staunen, wieviel ich zu tun hatte. Miß Hartshorne.« Energisch fuhr sie fort: »Sie müssen einfach jetzt bei mir Tee trinken, falls Sie Zeit haben. Ich glaube, wir haben noch niemals
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