Komoedie des Alterns
Beispiel des Flugzeugs folgend, sich langsam und in Etappen dem Feind nähernsollte. Dies könnte so vonstatten gehen, daß Heinrich dem andern erzähle, ihm sei während des Flugs das Geschehen auf der Fölzalm durch den Kopf gegangen, es würde ihn interessieren, wie Sarani die Geschichte in Erinnerung habe. Es könnte sich ein Gespräch entspinnen, und mitten in dieses friedliche Hin und Her würde dann die Kriegserklärung platzen.
Im Spätherbst, erinnerte Freudensprung sich, sechs Wochen nach der Tour über die Hohen Tauern, habe das Holzmachen auf der Alm Zacharias beinahe ein Bein gekostet. Der wollte die Eigenart der Legföhre nicht wahrhaben, wenngleich Heinrich ihn davor warnte, die Hacke, die er selbst geschärfte hatte, unbedacht in die Hand zu nehmen und gegen einen Ast zu schwingen.
Die Legföhren, hatte Heinrich dem ägyptischen Freund erklärt, hier Latschen genannt, kämen nicht einzeln vor wie andere Bäume, sondern bildeten oberhalb der Baumgrenze große Felder, buschartig, eine eng an die andere gedrückt, weil sie anders die Stürme und die Schneelast nicht überleben könnten. Die Legföhren seien gefährlich, ihre Äste tückisch wie Giftschlangen. Man könne nicht einfach auf sie eindreschen. Sarani solle zuschauen, wie Heinrich an die Sache herangehe. Am besten wäre es, er lasse überhaupt die Finger davon.
Zacharias Sarani hatte sich über Heinrichs Warnungen lustig gemacht. Die Alpenbewohner, hatte er erwidert, seien so fürsorglich zu den Menschen aus dem Flachland, besonders zu ihm, der aus der Wüste komme, daß sie die Flachländler am liebsten von den Bergen fernhielten.
Er erinnerte Heinrich an ihre erste gemeinsame Klettertour, vor der Heinrich ihm geraten hatte, sich ganz aufdas Seil zu verlassen, und wie erstaunt Heinrich gewesen sei, als Zacharias die Seilsicherung kaum in Anspruch nahm, weil er dank der Kraft, die er in den Fingern hatte, sich auch an winzigen Felsvorsprüngen hochziehen konnte.
Und nun, sagte Zacharias, mit der Hacke ausholend, wolle Heinrich ihn vor diesen mickrigen Latschen warnen. Am Rand eines Latschenfeldes, wo Heinrich und ein Freund Holz machten, schlug er auf einen Ast, dieser gab mangels eines festen Untergrunds nach. Die Hacke rutschte zur Seite, auch deshalb, weil das Holz zäh war, wahrscheinlich gibt es kein zäheres Holz als das der Legföhre. Der mißglückte Schlag machte Zacharias wütend, er hieb mit noch mehr Wucht auf den Ast ein, worauf der, durch den ersten Schlag ins Erdreich gedroschen, ihm entgegenschnellte, so daß der Axthieb den Ast verfehlte und die Hacke durch das dünne Erdreich sauste und gegen den Fels schlug.
Heinrich tat, als würde er Zacharias nicht beachten, aber er sah, wie der vor Schmerz das Gesicht verzog und sich das Handgelenk rieb, das er sich offenbar geprellt hatte. Noch einmal holte er aus, zielte mit der Hacke auf den Ast, sie glitt abermals ab. Er hatte sie nun nicht mehr in der Hand, sie lag auch nicht auf dem Boden. Sie steckte im linken Oberschenkel.
Nicht nur Zacharias war vor Schreck erstarrt, auch Heinrich und der Freund standen reglos vor Entsetzen, und erst als Zacharias nach der Hacke griff, um sie aus dem Fleisch zu ziehen, kehrte das Leben in Heinrich zurück. Mit einem Satz war er bei ihm und riß Saranis Hand vom Hackenstiel weg. Heinrich entschied, die Hacke müsse, damit Zacharias nicht verblute, im Oberschenkelbleiben, zerriß sein Hemd und band es über das blutige Fleisch, das neben dem scharfen Stahl auseinanderklaffte, mit den Hemdsärmeln schnürte er den Oberschenkel ab. Dann suchten Heinrich und der Freund einen langen Latschenast, auf den setzten sie Zacharias und hoben ihn in die Höhe. Zacharias legte seine Arme um die Schultern der beiden, und so gingen sie zu Tal. Der vierte von ihnen mußte auf der Alm bleiben, es brannte noch Feuer im Ofen, man konnte die Hütte nicht unbeaufsichtigt lassen.
Alle paar Minuten mußten sie anhalten, weil Heinrich, noch nie war ihm so etwas passiert, vor Erschöpfung schwindelte. Durch die Last des Körpers und aus Sorge um den Freund war er wie benommen. In diesen Momenten der Schwäche bestimmte der hilflos auf dem Latschenast sitzende Zacharias die Richtung des Wegs mehr als die Träger. Der Arm, den er um Heinrich gelegt hatte, umklammerte diesen in Todesangst. Zacharias’ Finger bohrten sich in Heinrichs Schulter und zogen ihn näher an Zacharias heran, damit der Wankende, der am äußersten Rand des Pfades ging – neben ihm fiel der
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