Komoedie des Alterns
könne, woraufhin er in eine Eisenhandlung ging und Sperrhaken in verschiedener Größe kaufte, mit denen man einfache Schlösser knacken konnte.
Ein Freund aus dem Arbeitersportverein, der beste Turner der Obersteiermark, gesellte sich ihm bei, und sie liefen nach kurzer Beratung zur Kaserne, standen dort an der Mauer und schlichen dann bis zum Tor. Er machte sich am Schloß zu schaffen, konnte es auch aufsperren, doch die eigentliche Sicherung des Tors befand sich venünftigerweise an der Innenseite, und so gab er den in einer Seitengasse wartenden Aufständischen ein Zeichen,daß er das Tor nicht öffnen konnte. Einer rief herüber, ob der Vater eine Handgranate brauche, ja, schrie der zurück; man warf ihm eine zu. Er fing sie auf und befestigte sie mit einem Sperrhaken an dem Tor, entsicherte sie, sein Freund und er warfen sich in Deckung.
Nach der Explosion, als sie die Köpfe vorsichtig hoben, erschallte aus der Seitengasse lautes Gelächter, und sie sahen bald, warum: Von dem vorher mächtig wirkenden Eisentor waren nur mehr Stücke von dünnem, rostigem Blech übrig, die auf dem Boden umherlagen, und einige dünne, verbogene Streben, an die das Blech geschraubt gewesen war, standen noch und erinnerten an ein Tor, das den Aufständischen Respekt eingeflößt hatte, aber nur Schrott war.
Der Vater schwieg. Die Kaserne, meinte Zacharias, sei also gestürmt worden. Die Gendarmen, sagte Vater, hätten keinen Schuß abgegeben. Sie hätten bereits gewußt, daß die Angreifer verloren hatten. An die hundert Militärfahrzeuge mit schweren Waffen und unzähligen Soldaten seien in die Stadt gefahren. Die Aufständischen seien vor dem offenen Tor gestanden, als sie die ersten Militärfahrzeuge die Straße herunterkommen sahen. Sie seien in die Berge geflüchtet. Die endgültige Niederlage in einem Kampf, der im Februar 1934 zwei Wochen gedauert habe, hätten die Aufständischen jedoch erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlitten, als der Aufstand umbenannt worden sei – in Bürgerkrieg.
Das Flugzeug näherte sich dem Bestimmungsort. Freudensprung vermutete, Sarani habe erstaunlich oft eine Situation falsch eingeschätzt. Möglicherweise habe er auch die verheerende Wirkung seiner Intrige gegen Heinrich nicht absehen können. In diesem Fall würde, wasSarani ihm angetan habe, weniger schmerzen, was aber, fügte er sofort hinzu, am Tatbestand nichts ändere.
Freudensprung rekapitulierte: Sarani habe, in der Meinung, die Hitze könne ihm, der so viel Erfahrung mit dem Klima in der Wüste hatte, nichts anhaben, die Hitze am Hochfrequenzofen unterschätzt. Drei Monate später, im Oktober, sei Sarani tatsächlich in Gefahr gewesen – habe den schweren Unfall aber als leichte Verletzung abgetan. Damals, auf der Fölzalm, dem Gipfel des Hochschwabs vorgelagert, sei es, was Sarani bis heute nicht wahrhaben wolle, um sein Leben, wahrscheinlich auch um das von Heinrich gegangen, genauer könne er es nicht sagen, da sein Bewußtsein durch körperliche Überanstrengung getrübt gewesen sei.
Freudensprung hatte sich, als er sechzehn war, mit fünf anderen Burschen, die er beim Klettern auf der Fölzalm kennengelernt hatte, zusammengetan, um von der Sennerin, die nur von Mai bis September mit den Rindern auf der Hochalm war, die Erlaubnis zur Nutzung der Sennhütte zu bekommen. Dank der sechs Jugendlichen – drei waren Lehrlinge, zwei gingen in Heinrichs Schule – war die Hütte auf der Fölzalm fortan auch nach dem Almabtrieb bewirtschaftet, wenn auch außer in den Weihnachts- und Osterferien nur an den Wochenenden. Die drei Gymnasiasten hatten am Samstag bis zwei Uhr Unterricht, die Arbeitszeit der Lehrlinge endete mittags, um drei Uhr nachmittag waren sie schon auf der Hütte. Wenn Heinrich um fünf auf die Alm kam, glühte der Ofen bereits, es war herrlich warm in dem Raum, der von dem großen Herd dominiert wurde, vor welchem zwei Tische und vier Bänke standen. Zwei Petroleumlampen sorgten für ein wenig Licht, aber auch tagsüber,selbst wenn die Sonne schien, war es in der Hütte dämmrig, die drei Fenster waren sehr klein, jedes von ihnen vierfach unterteilt, denn kleine Scheiben konnten Unwettern und Schneestürmen besser standhalten.
Die Hütte schmiegte sich in den Hang, so daß sie den kleinen Lawinen, die manchmal über die verschneiten Latschenfelder heruntersausten, nicht nur keinen Widerstand entgegensetzte, sondern ihnen wie einem Schispringer als Schanzentisch diente. Der Dachboden, die Schlafstatt,
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