KON-TIKI
Regenzeit vorüber, und die Straßen ins Land hinein sind wieder abgetrocknet.«
In unserer Not besuchten wir Don Gustavo von Buchwald, den Balsakönig von Ecuador, und Hermann rollte seine Skizze des Floßes auf und gab ihm die Maße der Stämme, die wir brauchten. Der kleine, zaundürre Balsakönig griff eifrig nach dem Telefon und setzte alle seine Agenten in Bewegung. Fast in jedem Sägewerk gab es Planken, leichte Bretter und vereinzelte kurze Stümpfe, aber nicht einen einzigen für uns brauchbaren Stamm. In Don Gustavos eigenem Lager befanden sich zwei große trockene Stämme, aber damit kamen wir nicht weit. Es wurde deutlich, die Jagd war umsonst. Aber Don Gustavo gab uns doch einen Hinweis.
»Ich habe einen Bruder, der eine große Balsaplantage besitzt. Er heißt Don Federico und wohnt in Quevedo, einem kleinen Dschungelnest mitten im Lande. Er kann Ihnen alles beschaffen, was Sie brauchen, sobald wir mit ihm nach der Regenzeit Verbindung bekommen. Jetzt aber ist es sinnlos wegen des Dschungelregens.«
Und wenn Don Gustavo sagte, daß es sinnlos war, so war es auch sinnlos für alle Balsakundigen in Ecuador. So standen wir in Guayaquil, ohne die Stämme für das Floß und ohne die Möglichkeit, selbst hinzufahren und die Stämme vor Ablauf vieler Monate zu schlagen, dann, wenn es bereits zu spät war.
»Die Zeit ist knapp«, sagte Hermann.
»Und Balsa müssen wir haben«, fügte ich hinzu. »Das Floß muß eine genaue Kopie sein, sonst haben wir keine Garantie, lebend aus der Sache herauszukommen.«
Im Hotel bekamen wir eine kleine Schulkarte mit grünem Dschungel, braunen Bergen und rotumringelten Orten. Sie verriet uns, daß der Urwald sich ununterbrochen vom Stillen Ozean bis an den Fuß der himmelhohen Anden erstreckte. Mir kam eine Idee. Es war sichtlich unmöglich, jetzt aus dem Küstenstrich durch den Dschungel zu den Balsabäumen zu gelangen, aber wie wäre es, wenn man von der anderen Seite, von den kahlen Flanken der Andenketten in das Innere des Dschungels hinabstieg? Hier bestand eine Möglichkeit, die einzige, die wir entdecken konnten.
Draußen am Flugplatz lag eine kleine Lastenmaschine. Man war gern bereit, uns mit nach Quito hinaufzunehmen, der Hauptstadt dieses merkwürdigen Landes, die hoch oben auf dem Andenplateau liegt, dreitausend Meter über dem Meeresspiegel. Zwischen Kisten und Möbeln durchblickend, erhaschten wir einzelne Ausschnitte von grünem Dschungel und blitzenden Wasserläufen, bevor wir in den Wolken verschwanden. Als wir daraus hervortauchten, lag das Tiefland unter einem endlosen Meer von wogenden Schwaden verborgen. Vor uns aber türmten sich kahle Hänge und nackte Bergspitzen aus dem Nebelmeer empor und ragten in einen strahlenden, tiefblauen Himmel.
Wie mit einem unsichtbaren Aufzug hob sich das Flugzeug über die Ketten. Trotz des Klimas und obwohl der Äquator in unserem Gesichtskreis war, hatten wir schließlich schimmernde Schneefelder unter uns. Geschickt glitt das Flugzeug zwischen den Gipfeln hindurch und kam über ein saftiges, frühlingsgrünes Hochgebirgsplateau, wo wir in unmittelbarer Nähe einer der eigenartigsten Hauptstädte der Welt landeten.
Von Quitos über 200 000 Einwohnern sind die allermeisten mehr oder minder reinblütige Bergindianer, denn Quito war schon lange, bevor Kolumbus Amerika erreichte, die Hauptstadt ihrer Vorväter. Uralte Klöster mit unfaßbar reichen Kunstschätzen prägen das Bild der Stadt. Sie und andere prachtvolle Bauwerke der Spanierzeit überragen weitaus die niedrigen Dächer der nach dem Gebrauch des Landes aus großen Blöcken erbauten und mit Lehm verschmierten Indianerhütten. Ein Labyrinth gewundener Gänge zieht sich zwischen ihnen hin, und hier trafen wir ein lebendiges Gewimmel von Bergindianern in rotbunten Mänteln mit großen, selbstgemachten Hüten. Viele waren mit ihren Packeseln auf dem Weg zum Markt. Andere kauerten an den Häusern und dösten in der Sonne. Mit halber Fahrt und unter ständigem Hupen gelang es manchmal primitiven Autos, in denen weißgekleidete Aristokraten spanischer Herkunft saßen, sich in den schmalen Durchgängen zwischen Kindern, Eseln und barfüßigen Indianern ihren Weg zu bahnen. Die Luft hier auf dem Hochplateau war so leuchtend kristallklar, daß die Berge ringsum unmittelbar hinter den Häusern aufzuragen schienen und dadurch noch dazu beitrugen, diese Atmosphäre des Unwirklichen und Jenseitigen zu erhöhen.
Unser Freund vom Lastenflugzeug, Jörge, mit dem Zunamen
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