KON-TIKI
den Grund für die verhältnismäßig bescheidene Kampflust dieses Exemplars gefunden zu haben. Aber später fischten wir Hai um Hai ganz nach derselben Methode - es ging jedesmal so glatt. Sogar wenn der Hai zu reißen und zu ziehen vermochte, und obwohl er so unangenehm schwer zu hantieren war, so wurde er doch förmlich mutlos und zahm und machte nie vollen Gebrauch von seinen Riesenkräften, wenn es uns nur glückte, die Leine so straff zu halten, daß der Hai bei diesem Tauziehen nicht einen Zoll gewinnen konnte. Die Haie, die wir an Bord zogen, waren leicht zwei bis drei Meter lang. Es waren Blauhaie sowohl wie Braunhaie. Der Letztgenannte hatte über seinen Muskelbündeln eine Haut, durch die es fast unmöglich war, ein scharfes Messer zu stoßen, außer wir stießen mit allen Kräften zu - und kaum dann. Die Bauchhaut war ebenso undurchdringlich wie der Rücken. Die fünf offenen Kiemenspalten seitlich des Schädels waren der einzige verwundbare Punkt.
Wenn wir einen Hai hereinzogen, hatten sich oft schwarze und glitschige Remorafische an seinem Körper festgesogen. Mit Hilfe einer ovalen Saugschale auf dem flachen Kopf saßen sie so festgenagelt, daß wir sie nicht losbekamen, auch wenn wir mit aller Kraft am Schwanz zogen. Aber selbst konnten sie sich lösen und weghüpfen und sich im Laufe einer Sekunde an einem anderen Platz anheften. Wenn es ihnen zu dumm wurde, am Hai festzukleben, sintemalen ihr alter Hauswirt kein Zeichen machte, ins nasse Element zurückzukehren, sprangen sie ab und verschwanden zwischen den Stämmen des Floßes, um sich einen anderen Hai zu suchen. Fanden sie nicht gleich zu einem solchen, so befestigten sie sich in der Zwischenzeit an der Haut eines anderen Fisches. Die Remorafische maßen von einem Finger bis zu einem Fuß in der Länge. Wir erprobten auch den alten Trick der Eingeborenen, den sie anwendeten, wenn sie einen lebenden Remorafisch zu fassen bekamen. Sie banden nämlich eine Schnur um seinen Schwanz und ließen ihn davonschwimmen. Er würde sich am ersten Fisch festsaugen, den er traf, und würde so festhalten, daß ein Fischer mit einigem Glück beide am Schwanz des Remorafisches hereinziehen konnte. Wir selbst hatten damit kein Glück. Jedesmal, wenn wir den Remorafisch mit einer Schnur um den Schwanz über Bord warfen, zottelte er nicht weit, sondern saugte sich sofort an den Stämmen unseres Floßes fest. Er war dabei wohl in dem frommen Glauben, nun einen extragroßen Riesenhai gefunden zu haben. Und hier hing er dann, wenn wir auch noch sehr an unserer Schnur zogen. Nach und nach bekamen wir mehrere solcher kleinen Remorafische mit uns. Sie baumelten steifnackig zwischen dem Bewuchs unserer Floßkanten. Von nun an ritten sie mit uns über den ganzen Stillen Ozean.
Aber der Remorafisch war dumm und häßlich und wurde deshalb kein so nettes Haustier wie sein lustiger Reisegenosse, der Lotsenfisch. Der Lotsenfisch ist klein und zigarrenförmig, mit Zebrastreifen, und treibt sich in hellen Haufen dicht vor der Haischnauze herum. Er hat seinen Namen davon erhalten, weil man lange glaubte, er würde seinen halbblinden Freund, den Hai, durch das Meer dirigieren. In Wirklichkeit treibt er sich nur selbst im Gefolge des Haies herum, und fährt er auf etwas los, so nur deshalb, weil er Nahrung für sich selbst erkannt hat.
Die Lotsenfische folgten auch ihrem Herrn und Meister bis zum letzten Augenblick. Aber da sie sich nicht wie die Remorafische an die Haut des Riesen anklammern konnten, waren sie völlig in Aufruhr, wenn ihr alter Gebieter plötzlich in die Luft hinauf entschwand und nicht wiederkam. Verstört schössen sie durcheinander und suchten. Ständig kamen sie zurück und schwänzelten um unser Heck, dort wo der Hai seine Himmelfahrt angetreten hatte. Aber als die Zeit verging und der Hai nicht wiederkam, mußten sie sich nach einem neuen Herrn umsehen. Und wer lag hier näher als »Kon-Tiki« persönlich?!
Wenn wir uns über die Floßkante hinunterließen, den Kopf tief in dem leuchtend klaren Wasser, sahen wir selbst das Floß wie den Bauch eines Seeungeheuers. Sein Schwanz war unser Steuerruder, und die Schwerter tauchten wie dicke Flossen herab. Und dazwischen schwammen all die adoptierten Lotsenfische getreulich Seite an Seite und ließen sich durch das blubbernde Menschengesicht nicht mehr irritieren, als daß vielleicht einer einen kurzen Abstecher unternahm und uns direkt in die Nase hineinschnüffelte, um dann beruhigt wieder zurückzugleiten und
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