KON-TIKI
Polynesier kennt, wird verstehen, daß diese symbolische Bezeichnung auf die ursprüngliche Entdeckung des Inselreiches oder auf seine »Geburt« gemünzt ist. Die abgeschiedene und weit nach Westen vorgelagerte Osterinsel wird als Nabel der anderen Eilande, d. h. als Ursprungsort und Bindeglied zum fernen Mutterland, verehrt.
Der zweite Name der Insel ist »Rapa-nui« und bedeutet »Großes Rapa«, während »Rapa-iti« oder »Kleines Rapa« eine andere Insel derselben Größe ist, die weit westlich der Osterinsel liegt. Nun ist es bei allen Völkerschaften jedoch ein alter Brauch, ihre erste Heimstätte die »Große« zu nennen, z. B. »Groß-Rapa«, während die nächste als »Neu-« oder »Klein-Rapa« bezeichnet wird, auch dann, wenn die Plätze gleich groß sind. Bei den Eingeborenen auf »Klein-Rapa« findet sich denn auch die entsprechende Überlieferung, daß die erste Besiedlung der Insel von »Groß-Rapa« aus erfolgt sei, der Osterinsel im Osten, die Amerika am nächsten liegt. Auch das deutet unmittelbar auf eine ursprüngliche Einwanderung aus dem Osten.
Der dritte und letzte Name dieser Schlüsselinsel, »Mata-Kite-Rani«, bedeutet »Insel (die) sieht (gegen) Himmel«. Beim ersten Blick mag man stutzen, denn die verhältnismäßig niedere Osterinsel »sieht« sicherlich nicht mehr gegen Himmel, als es die anderen hochragenden Felseneilande tun, wie z. B. Tahiti, die Marquesas oder Hawaii. Aber Rani oder Himmel besitzt für die Polynesier eine doppelte Bedeutung. So nennen sie auch die ursprüngliche Heimat ihrer Vorväter, das heilige Land des Sonnengottes. Tikis verlassenes Gebirgsreich. Unter all den tausend Eilanden im Meer gerade die einsame Osterinsel das Auge zu nennen, das gegen das Heimatland sieht, bedeutet natürlich sehr viel. Schlagartig aber beleuchtet den Zusammenhang die Tatsache, daß »Mata-Rani«, was polynesisch »Himmelsauge« bedeutet, auch ein alter peruanischer Ortsname ist. So heißt ein Flecken in Peru, der an der Küste des Stillen Ozeans am Fuße der Anden der Osterinsel direkt gegenüber liegt, gerade unterhalb von Kon-Tikis uralter Ruinenstadt im Gebirge.
Wenn wir so unter dem Sternenhimmel an Deck saßen, bot uns die Osterinsel allein Gesprächsstoff genug, und wir fühlten uns richtig als Mitspieler und Fahrtgenossen uralter Abenteuer. Wir empfanden das so stark, als hätten wir seit Tikis fernen Tagen nichts anderes getan, als auf dem Meer unter Sonne und Sternen herumzusegeln und neues Land zu suchen.
Vor Wogen und Meer hatten wir nicht länger denselben Respekt. Wir kannten sie und ihr Verhältnis zu uns auf dem Floß. Sogar der Hai war ein Teil des täglichen Bildes geworden. Wir waren auch mit ihm gut bekannt und wußten um sein gewöhnliches Verhalten. An die Handharpune dachten wir schon lange nicht mehr und verließen nicht einmal den Floßrand, wenn der Hai an unserer Seite emporkam. Ganz im Gegenteil, manchmal verfielen wir sogar darauf, ihn fest bei der Rückenflosse zu packen. Er aber glitt völlig unberührt entlang der Stämme weiter. Das entwickelte sich schließlich zu einer ganz neuen Sportart. Zu einem Tauziehen nämlich zwischen dem Hai und uns, aber einem Tauziehen ohne Angelleine.
Wir fingen die Sache ganz bescheiden an. Meistens fischten wir mehr Dolfine, als wir verzehren konnten. Um das populäre Unterhaltungsmoment beizubehalten, ohne das Essen zu vergeuden, verfielen wir darauf, ein richtiges Narrenfischen ohne Angelhaken zu veranstalten, zur gemeinsamen Freude für die Dolfine und uns. Wir banden übriggebliebene fliegende Fische an die Schnur und zogen sie über die Wasserfläche. Die Dolfine schössen heran und schluckten den Happen, und dann zogen wir wieder jeder seines Weges weiter und hatten einen prächtigen Zirkus dabei. Denn mußte endlich ein erboster Dolfin den verhexten Bissen wieder auslassen, dann schnappte sofort der nächste danach. Wir hatten unser Vergnügen daran und die Dolfine schließlich doch den Fisch.
Dann begannen wir dasselbe Spiel mit den Haien. Wir hatten entweder einen Fischbrocken an der Leine oder oft auch einen Zeugbeutel mit Resten von unserem Mittagessen, den wir an einer Schnur auswarfen. Statt sich auf den Rücken zu wälzen, streckte der Hai den Kopf aus dem Wasser und schwamm mit weit offenem Maul heran, um den Kosthappen zu verschlingen. Dann konnten wir es uns natürlich nicht verkneifen, an der Leine zu ziehen, gerade wenn der Hai im Begriff war, das gähnende Maul wieder zu schließen. Mit einem
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