Konigs-Schiessen
zweit bearbeiten sollen. Nicht mal einen Aktenführer haben wir.«
»Schau mich nicht so giftig an, Helmut«, grinste Breitenegger, der sonst immer die Aktenführung übernahm. »Ich kann nichts für diese Einteilung.«
»Ackermann kannst du dir diesmal übrigens auch nicht zuteilen lassen. Der ist im Osten«, mischte sich Heinrichs wieder ein.
»Ackermann?«
»Ja, im Osten, als Berater im Bereich Einbruch und Bankraub.«
»Ackermann!« prustete Toppe. »Ausgerechnet! Da haben sie gerade den richtigen ausgeguckt.«
»Na, endlich lachst du mal.«
In Astrids Wagen fuhren sie nach Keeken. Sie schlug vor, sich die Leute, die sie vernehmen wollten, aufzuteilen, und erzählte ihm von den Aussagen, die sie in der letzten Nacht aufgenommen hatte. Ihr Enthusiasmus tat ihm gut, und er war auf einmal ganz froh darüber, daß sie jetzt sein Partner war und nicht einer von den alten Hasen, die mit den Jahren immer zynischer wurden; genauso wie er selbst, abgeklärt, zynisch und müde.
Sie parkten den Wagen wieder am Kriegerdenkmal und gingen langsam in Richtung Kirche. Der Dorfkern hier war wie aus einem naiven Bilderbuch. Ganz eng standen die roten alten Backsteinhäuser zusammen, nur getrennt durch schmale Straßen, Fußwege und Vorgärten. Vereinzelt gab es uralte große Blutbuchen und Roßkastanien.
Hier konnte jeder jedem ins Haus gucken, vermutlich hingen deshalb überall dichte Gardinen an den Fenstern, Wolkenstores mit sorgfältig gelegten Falten. Kein Mensch war zu sehen, aber sie wurden beobachtet; die Gardinen bewegten sich, und manchmal sahen sie einen Schatten weghuschen, wenn sie aufblickten. Die Gärten hatten scharf geschnittene Liguster- und Buchsbaumhecken, die Wege waren wie mit dem Lineal gezogen und mit Waschbetonplatten ausgelegt. Es gab bajuwarisch anmutende Lauben; in Kübeln, lackierten Waschmaschinen und ausgedienten Schubkarren blühten noch ein paar ordentliche Geranien und Tagetes. Sie gingen über den kleinen Friedhof. Jemand hatte schon alle Spuren des nächtlichen Polizeibesuchs beseitigt; die Wege zwischen den Gräbern waren ganz frisch geharkt. Die kleine Backsteinkirche war sicher weit über dreihundert Jahre alt, aber die Fenster sahen nagelneu aus. Ob die Leute im Dorf wohl dafür gesammelt hatten?
Am hinteren Ende des Friedhofs bogen sie nach links ab. Gegenüber vom Törchen lag ein großer Garten, der sich völlig von den anderen unterschied. Hier gab es Gemüsebeete, die Wege waren zugewuchert mit Cosmea und Ringelblumen, und zwischen den Johannisbeerbüschen konnte man ein Frühbeet erkennen. An einer breiten Dahlienhecke hingen noch ein paar nasse Blüten, und die Sonnenblumen hatten dicke Fruchtstände.
»Schön«, sagte Astrid. »Der gehört sicher zu dem Haus hier.«
»Das muß früher mal das Pfarrhaus gewesen sein«, vermutete Toppe, »es ist das nächste an der Kirche.«
»Jetzt aber bestimmt nicht mehr.« Astrid zeigte auf die Fenster. Sie hatten keine Gardinen, dort standen Ficusbäume und Yuccas, und eine Friedenstaube klebte an der Scheibe.
Astrid lief rasch die Stufen zur Haustür hinauf und sah sich das Klingelschild an. »Das muß eine Wohngemeinschaft sein«, sagte sie und: »Hier würd’ ich auch gern wohnen.«
»Haben Sie denn immer noch keine Wohnung gefunden?«
»Nein. Ich glaub’, am Anfang war ich einfach zu wählerisch, und im Augenblick kriegt man ja überhaupt nichts mehr. Die ganzen Aus-, Um- und Übersiedler.« Sie kaute an ihrer Unterlippe und sah ihn an. »Ich wollte auch gern mit Klaus zusammenziehen.«
»Van Gemmern? Sind Sie immer noch zusammen?«
»Mehr oder weniger. Er ist sich nicht sicher.«
Toppe runzelte die Stirn, wollte nicht gern fragen, was das hieß, aber das war auch nicht nötig.
»Na ja, er schläft gern mit mir, hat aber wohl Angst, sich festzulegen, zu binden, was weiß ich.«
Toppe fühlte sich nicht wohl bei diesem Gespräch; er war sich nicht ganz sicher, ob er so privat werden wollte mit Astrid, die damit anscheinend keine Probleme hatte. »Ich schlaf nicht nur gern mit ihm, ich würde eben auch gern mit ihm zusammenleben.«
Als Toppe nichts sagte, zuckte sie die Schultern. »Nun ja, mal sehen.«
Sie waren an der Bäckerei angekommen.
9
Der Laden war geöffnet und voller Leute, deren Gespräche sofort verstummten, als Toppe und Astrid hereinkamen.
Hinter der Bäckertheke stand eine blasse, junge Frau, die Toppe bisher noch nicht gesehen hatte. Er stellte sich und Astrid vor.
»Martina Verhoeven«, sagte sie.
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