Konigs-Schiessen
Theke herum.
Er starrte ihr lange auf die Brüste und grinste schräg. »Bring mir noch’n Bier, Toni.«
Die Kapelle spielte einen Tusch, dann gab der Präsident die Bühne frei für »unsere Nelly Böskens, die sich anläßlich unseres 280. Stiftungsfestes ein paar Gedanken gemacht hat.«
Nelly Böskens trug ein olivgrün-silbernes Abenddirndl, das traurig an ihrer dürren Gestalt herabhing. Mit kurzen harten Schritten trat sie an das Mikrofon und räusperte sich.
»Ich hab’s ihr noch gesagt«, wisperte Sigrid die Segensreiche ihrem Nachbarn zu. »So ein Kleid kann man nur tragen, Nelly, sag’ ich, wenn man reichlich Holz vor der Hütte hat; wie man so sagt«, und sie warf sich so in ihren Satin, daß der Pfau mächtig in Bewegung geriet.
Nelly Böskens begann mit ihrer schrillen, trockenen Stimme: »Epilog!
Was versteht man denn eigentlich unter Gemeinsinn? Ich meine, jedes einzelne Mitglied des Vereins muß bereit sein, für die Gemeinschaft Opfer zu bringen. Das gute Beispiel und der gute Geist muß aber von oben kommen. Ohne Bestätigung eines guten Geistes und ohne das gute Beispiel der geschäftsführenden Personen wird auch von Gemeinsinn und gemeinnütziger Tätigkeit nicht die Rede sein können. Nur durch das Vorbild der Vereinsleitung wird es möglich sein, in einem solchen Verein gegenseitige brüderliche Gesinnung hervorzurufen, durch welche die Mitglieder in Freude und Leid zusammenstehen, zu gegenseitiger Unterstützung stets bereit sind, und durch welche dann nach allen Richtungen hin der Verein segenbringend für unser Dorf Keeken wird.
Das dankbare Gedenken an unsere Altvorderen soll uns zur vorbildlichen Nacheiferung verpflichten.
Möge die Jugend angeregt werden zu ideellem Einsatz, zur Pflege der Kameradschaft, zum opferbereiten Bürgersinn, für das Wohl unseres Volkes und Vaterlandes.
Möge der Schützenverein 1710 e.V. für die kommenden Geschlechter, die Bürger unseres Dorfes, eine Pflegestätte der jahrhundertealten Tradition sein.
Liebes Kecken, Heimat voll Behagen, hast mein ganz Geschick von Jugend an getragen.«*
(*Zitiert aus: »Festschrift des Keekener Schützenvereins e.V. 1710-1985«)
Der Saal brach in donnernde Ovationen aus. Nelly Böskens lächelte geziert.
»Unser Nelly, wat Willi, die findet immer die richtigen Worte.«
»Doch, die kann wat«, brummte Wilhelm Verhoeven. Sein Bruder ließ sich neben ihm auf den Stuhl fallen.
»Wo ist eigentlich Ingeborg?« wollte er wissen.
»Die ist mal ebkes nach Mutter gucken.«
»Ist doch Quatsch; die Kinder sind doch zu Hause.« Heinrich Verhoeven leerte sein Bierglas.
»Ist ’n schönes Fest dies’Jahr.«
»Kann man sagen. Bring uns beiden mal ’n Doppelten, Toni«, rief Wilhelm und stand auf. »Ich komm’ gleich wieder«, nickte er seinem Bruder zu und hinkte auf HERREN zu.
Am Eingang des Schützenhauses drückten sich die Jungschützen vom 1710 e.V. herum. Die älteren unter ihnen fanden es äußerst angenehm, daß der Bimmener Musikverein noch bis Mitternacht dableiben mußte. Der ungewohnte Alkohol hatte sie mutig gemacht, und der eine oder andere verzog sich immer mal wieder mit einer von den jungen Majoretten vom Musikverein nach draußen, wo sie sich dann knutschend an der Hauswand herumdrückten. Den Nieselregen bemerkten sie gar nicht. Ein paar von den Mädchen hatten leicht bläuliche Beine, denn die Faltenröckchen boten wenig Schutz gegen den kalten Wind.
Die jüngeren Schützen, vierzehn- und fünfzehnjährig, begnügten sich damit zu rauchen, Bier zu trinken und abfällige Bemerkungen über »die Weiber« zu machen. Gegen halb elf kotzte der erste von ihnen mitten auf den Fußboden.
Toni kam mit Eimer und Aufnehmer und schimpfte: »So ’ne Sauerei! Wenn du nix vertragen kannst, dann sauf gefälligst nich’. Das wischt du alles selber auf, Freundchen.«
Der Junge nickte demütig. Sein Gesicht war kreidebleich und schweißbedeckt. Ungeschickt wischte er unter dem Hohn seiner Schützenbrüder das Malheur weg.
Dann ließ er den Aufnehmer in den Eimer fallen und ging steifbeinig hinaus. Alles grölte.
Um Mitternacht gab der Bimmener Musikverein noch ein letztes Ständchen und zog dann mit einem feierlichen Marsch hinaus.
»Jetzt wirdet erst richtig gemütlich«, sagte Heinrich Verhoeven aufgeräumt zu seinem Neffen. »Wie isset, Peter, tanzt du heut’ gar nicht mit deiner Frau?«
»Die Dame tanzt nicht mehr mit mir«, lallte der Neffe.
»Na, dann woll’n wir ma’ noch ein’ trinken,
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