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Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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gesucht. Er versucht zu überleben, indem er eine innere Überlebensstrategie entwickelt. Eine Art korrigierende Instanz, die nach und nach vollständig die Oberhand gewinnt und seine Freiheit und die Möglichkeit zu eigenen Entscheidungen einschränkt. Haben Sie das verstanden?«
    Sie trank einen Schluck Cola und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    Er nickte. »Will er denn überhaupt da herauskommen?«
    »Vermutlich nicht, und das ist das Problem. Denn alle Formen von Krankheit bringen natürlich einen Gewinn. Sie wissen schon, wenn jemand uns umsorgt, während wir mit Fieber im Bett liegen. Das ist doch wunderbar.«
    Du hast gut reden, dachte er verletzt.
    »Und wie krank ist Errki?«
    »Das ist ein Teil des Problems. Immerhin ist er nicht mehr bettlägerig. Er ißt, er bekommt Medikamente. Mit anderen Worten, er arbeitet bis zu einem gewissen Grad mit.«
    »Und – Schizophrenie? Was ist das?«
    »Dieses Wort benutzen wir in unserer ganzen Hilflosigkeit, weil es praktisch ist, für alle Dinge eine Schublade zu haben – wenn die Psychose schon eine Weile vorhält. Sagen wir, einige Monate.«
    »Ist Errki schon lange krank?«
    »Er gehört zu denen, die von vielen wohl mehr oder weniger aufgegeben worden sind. Er wandert wie eine Art Reklamation von einem Ort zum anderen.« Sie seufzte tief. »Wenn er diese Frau umgebracht hat, dann fürchte ich, daß es für ihn keine Hoffnung mehr gibt. Dann wird ihm wohl nicht mehr geholfen werden. Nicht so, wie ich ihm helfen wollte.«
    »Und«, er sah sie an und hob sein Glas, »was wissen Sie über die Ursache von Errkis Krankheit?«
    »Nicht viel. Aber ich habe meine Theorien.«
    »Können Sie mir darüber etwas sagen?«
    »Ich habe mich ab und zu gefragt, ob es mit dem Tod seiner Mutter zusammenhängen könnte.«
    »Die Gerüchte besagen doch, Errki habe sie umgebracht«, sagte Sejer schnell. Im Grunde ein wenig zu schnell.
    »Sicher, das habe ich gehört. Diese Gerüchte hat er selbst gestreut.«
    »Warum denn das?«
    »Weil er es auch glaubt.«
    »Aber Sie glauben es nicht?«
    »Ich lasse die Möglichkeit offen. Wir brauchen alle eine Chance«, sagte sie mit fester Stimme.
    Ja, dachte er. Ich brauche vermutlich auch eine Chance. Aber ich würde sie wohl nicht einmal dann nutzen, wenn sie mir in den Schoß fiele. Sie trägt keinen Ring, aber das muß nichts bedeuten. Früher war es ein sicheres Zeichen. Es war ganz einfach zu sehen, wer ledig war. Bei Elise hatte er es sehen können. Lange, glatte Finger ohne Ring. Was in aller Welt sind das für Gedanken, fragte er sich plötzlich.
    »Wie ist sie gestorben?« fragte er.
    »Sie ist eine Treppe hinuntergefallen.«
    »Er hat sie nicht gestoßen?«
    »Er war acht Jahre alt.«
    »Achtjährige stoßen und knuffen die ganze Zeit. Aus Versehen, zum Beispiel, oder beim Spielen. Errki war im Haus, nicht wahr?«
    »Er hat es unmittelbar miterlebt.«
    »Sonst aber niemand?«
    »Nein.«
    »Was genau wissen Sie?«
    »So gut wie nichts. Er saß auf der Treppe, als Hilfe kam, und offenbar hatte er schon lange da gesessen, ohne sich rühren zu können.«
    Sie griff in ihre Blusentasche, in der eine Packung Prince Mild steckte. »Es ist so lange her«, fügte sie hinzu.
    »Noch etwas: Gurvin hat erwähnt, daß Errki in den USA gelebt hat?«
    »Er hat mit Vater und Schwester in New York gewohnt, sieben Jahre lang. Sie waren regelmäßig zu Besuch in Norwegen, zu Weihnachten und so.«
    »Und – stimmt es, daß er Kontakt zu einem etwas seltsamen Mann hatte?«
    Jetzt lächelte sie. »Das habe ich nicht überprüfen können. Ich habe mit dem Vater gesprochen, und der gibt zu, nie so recht gewußt zu haben, was Errki in seiner Freizeit machte. Er hat sich mehr um die Schwester gekümmert. Anders als Errki ist ihr alles geglückt, vor allem sozial gesehen. Aber Sie denken sicher an diesen Zauberer, nicht wahr?«
    »Vielleicht hat der ihm Grillen in den Kopf gesetzt?«
    »Die hatte er sicher schon. Aber besser ist die Sache dadurch auch nicht geworden. Das Schlimmste ist …« Sie verstummte plötzlich und starrte in ihre Cola. Offenbar überlegte sie, ob sie weitersprechen sollte oder ob sie damit zu weit gehen würde.
    »Das schlimmste ist«, wiederholte sie schließlich, »daß ich mich manchmal frage, ob er wirklich über diese Fähigkeit verfügt. Ob er wirklich mehr sieht als wir anderen, ob er Ereignisse auslösen kann. Durch tiefe Konzentration. Dinge, die sich nur so erklären lassen, daß er sie durch seine Willenskraft

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