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Kontrollpunkt

Kontrollpunkt

Titel: Kontrollpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Albahari
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Kommandanten heran, um ihn zu küssen, aber er verscheuchte sie mit einer Handbewegung. Wir küssen uns, wenn wir uns zu Hause treffen, sagte er und wischte heimlich eine Träne weg. Auch er hätte aufbrechen sollen, denn der Lärm der Lastwagen und der Raupenfahrzeuge war so laut geworden, dass er das Gefühl hatte, auf einem Panzerturm zu sitzen und ein Fähnchen mit dem Wappen irgendeines Landes zu schwenken. Dann machte er sich daran, auf einen Baum zu klettern. Er kletterte hoch bis in den dichtesten Teil der Baumkrone, wo man ihn ganz bestimmt nicht mehr sehen konnte, er selbst aber immer noch Lücken zwischen den Blättern fand, die es ihm ermöglichten, das Geschehen wenigstens teilweise zu überblicken. Er war überrascht, als er sah, was für eine starke Truppe entsandt worden war, um eine Handvoll Soldaten zu verfolgen, als sei die Erledigung gerade dieser Soldaten das Hauptziel der gegnerischen militärischen und zivilen Führer. Haben die Nazis, als schon feststand, dass sie den Krieg verlieren würden, nicht ähnlich hysterisch mit der Liquidierung der Juden weitergemacht, als hinge der Ausgang des Krieges davon ab? In einer anderen, honorigeren Zeit würde er jetzt völlig unangefochten mit dem Kommandanten der feindlichen Verfolgereinheit zusammensitzen und bei Tee oder, warum nicht, bei Schnaps Anekdoten aus der Zeit, als er an der Militärakademie studierte, zum Besten geben. Am Ende würden sie sich mit einem Handschlag voneinander verabschieden und Glückwünsche zum erfolgreich errungenen Sieg beziehungsweise zu der ehrenvollen Niederlage austauschen. Danach würden sie beide friedlich nach Hause gehen zu ihren ungeduldigen Frauen, die wohl wegen des allzu langen Wartens eine so große Lust auf die Eroberung neuer Gebiete gezeigt hätten, dass sie es merkwürdigerweise alle bedauern würden, dass der Krieg zu Ende sei. Plötzlich erschallten laute Rufe unter dem Baum, in dessen Krone der Kommandant sozusagen sein Nest gebaut hatte. Nachdem er eine günstige Lücke zwischen den Blättern gefunden hatte, sah der Kommandant zunächst drei seiner Soldaten. Sie schwenkten ein weißes Tuch und kamen langsam den Berg herunter. Als sie die Lichtung erreichten, von der sie gerade erst aufgebrochen waren, nahm ein Panzer Kurs auf sie. Es sah aus, als wolle er sie beschnuppern und strecke zu diesem Zweck das Kanonenrohr nach ihnen aus, doch er fuhr weiter. Die Soldaten, die länger als nötig gezögert hatten, begriffen plötzlich, was der Panzerführer im Schilde führte, aber da war es bereits zu spät, der Panzer überrollte sie, blieb stehen und fuhr anschließend rückwärts. Der Kommandant biss sich in die Hand, um nicht in Schluchzen auszubrechen und auch um zu verhindern, dass er, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen, vom Baum hinunterkletterte. Man würde ihn töten, bevor er dazu käme, eine Handgranate aus der Hosentasche zu ziehen. Es blieb ihm nur, auszuharren und zu hoffen, dass sich künftig Interessenten für ein Vorhaben fänden, in dem man ihm die Rolle eines Uropas zudächte, der schon lange in seinem Sarg lebt und vergeblich auf das Erscheinen des Herrn Sensenmann wartet. Dann tauchten feindliche Soldaten mit Hunden auf. Einer lief sofort zu dem Baum, in dessen Krone der Kommandant sich versteckte, aber er war nur daran interessiert, ein Bein zu heben und seine Duftmarke zu hinterlassen, die einige Tage später einen Schwarzbären veranlassen sollte kehrtzumachen, weil er fälschlicherweise annahm, dies sei die Duftmarke eines Grizzlys (und mit denen wollte er nichts zu tun haben). Die Hunde streunten durch den umliegenden Wald und meldeten sich gleich mit lautem Bellen, in das sich Schüsse und Schreie mischten. Der Kommandant sah, dass es sich um die beiden Zugführer handelte: Den einen, der blutverschmiert und übel zerbissen war, überließ man einfach den Hunden, der andere, der an einem kleinen Klapptisch aus Aluminium saß, wurde einem völlig friedlichen Verhör unterzogen. Und während der erste Zugführer dabei war, unter schlimmsten Qualen zu sterben, saß der zweite bequem auf einem Stuhl und antwortete auf höflich gestellte Fragen. Man wollte wissen, wie er heiße, was er von Beruf sei, ob er Geschwister habe, seit wann er beim Militär diene, ob er den Krieg und andere Zerstreuungen möge, wer sein Lieblingsautor und wer seine Lieblingsschauspielerin sei, ob er Frau und Kinder habe, ob seine Mutter noch lebe, ob sein Vater in Rente sei, ob er ihm Briefe oder

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