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Kontrollpunkt

Kontrollpunkt

Titel: Kontrollpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Albahari
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Ansichtskarten schreibe und wer in seiner Familie rauche. Während er all diese Fragen beantwortete, schaute er von Zeit zu Zeit hinauf in die Baumkrone über seinem Kopf und war in einem Augenblick sicher, im bunten Laub jemandes Auge entdeckt zu haben. Einen Wimpernschlag später war das Auge nicht mehr da. Der Zugführer war überzeugt, dies sei das Auge des Herrn gewesen und von nun an sorge Gott für ihn. Das Auge erinnerte ihn zwar an jemanden, aber an wen? Wie durch Nebel drang der Gedanke zu ihm, der Kommandant hocke wie ein glücklicher Waldgeist in dem Baum. Nach dem Verhör könne er vielleicht hinaufklettern und ihn besuchen. Dann aber sagte er sich, er sei verrückt, denn wieso sollte der Kommandant auf dem Baum sitzen, der sei doch kein Uhu, der das Tageslicht scheut, und auch kein Singvogel, der kurz verstummt, um einen Blick auf einen dahergelaufenen Zugführer zu werfen, der noch nicht gelernt hat, »mein Tod« zu sagen, allerdings ein guter Schüler ist und das eifrig paukt. Und als nach etwa einem Dutzend weiterer liebenswürdiger und völlig unnötiger Fragen in der Hand des Fragestellers ein Messer aufblitzte und er dem Zugführer eröffnete, jetzt werde er für seine Mitarbeit belohnt, lachte dieser höflichkeitshalber und sagte, er wolle gern seine Belohnung mit ihm teilen, warf sich blitzartig auf ihn, riss ihm das Messer aus der Hand und schnitt in einer einzigen schwungvollen Bewegung erst dem Fragesteller und dann sich selbst die Kehle durch, von einem Ohr zum anderen. Es hätte nicht viel gefehlt, und der Kommandant wäre vom Baum gefallen und hätte sich jetzt dort unten am Aluminiumtischchen befunden, so sehr hatte ihn das Drama mitgenommen, das sich soeben vor seinen Augen abgespielt hatte. Aber wer weiß, vielleicht war er doch ein Uhu und sah im Dunkeln besser als bei Sonnenlicht? Er würde die Nacht abwarten, um sich zu entscheiden, denn er wusste ohnehin nicht, wohin er gehen sollte. Der Kommandant fragte sich, wie viele Soldaten noch am Leben sein mochten, da fielen ihm Mladen und zwei oder drei andere ein. Und wo war der Koch? Wirklich, wo war der Koch abgeblieben? Der unsere ist ein guter Koch, pflegten wir alle zu betonen, als beinhalte die Aussage, dass ein Koch gut kocht, die Verteidigung in jedem möglichen Strafprozess gegen den Koch, gleich ob in Uniform oder in Zivil. Dabei konnte niemand, auch nicht der Kommandant, dem Koch etwas vorwerfen. Nur einmal, fiel dem Kommandanten ein, waren seine Frikadellen nicht weich genug gewesen, a ber deshalb zerrt man einen nicht vor Gericht, vor allem nicht vor ein Standgericht. Einige Soldaten hielten ihm einmal vor, zu viel Zeit in der Küche zu verbringen, an diesem heißen Ort, diesem Mittelpunkt allen Lebens. Des Kochs Antwort war einfach: Ich mag Radio hören, sagte er, und dort habe ich den besten Empfang. Das mit der Empfangsqualität bestätigte später auch der Kommandant, der ebenfalls gern Radio hörte und sich oft in der Küche aufhielt wegen des, wie er sagte, »guten Empfangs«. Der Kommandant lauschte auch jetzt aufmerksam, in dem Glauben, dass er aus den vielen brummenden Flugzeugen und Hubschraubern die Maschine heraushören würde, die auf dem Flughafen von K. auf sie warten und sie dann in die Hauptstadt bringen sollte. Wir wissen nicht, ob es in K. eine Start- und Landebahn für internationale Flüge gibt, aber die Toiletten im Parkhaus des dortigen Flughafens sind sauber, sogar sauberer als viele in Europa und Nordamerika. Davon musste einer der Soldaten gehört haben, die ratlos unter dem Baum des Kommandanten standen, weil die Klos auf einmal zum wichtigsten Gesprächsthema geworden waren und alle nur noch davon sprachen. Andererseits, wenn es schon keine Soldaten mehr zu töten gab, sollte man von etwas reden, das für alle von Bedeutung ist, sowohl im Krieg als auch im Frieden. Das Gespräch über die Klos riss den Kommandanten aus seinem unsicheren Dösen, und er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Unsicher war das Dösen, weil der Mensch kein Vogel ist, der auf einer Telefonleitung oder einem Zweig schlafen kann, sondern ständig befürchten muss, abzustürzen bis auf den Grund des Alls, bis an das Ende der Welt. Der Kommandant hörte wieder, wie ihm Stimmen Verschiedenes zuflüsterten, immer will jemand vor allen anderen einem geheimen Bund angehören, je geheimer, umso besser, dann aber meinte er, darunter eine vertraute Stimme zu erkennen, und als er vorsichtig die Position änderte, war das

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