Kopernikus 2
verunstalten kann, aber erst nach einigen Jahrzehnten zu seinem Tod führt. Außerdem gibt’s ja auch noch andere Seuchen, etwa Manthrax, die Neue Lepra und die Langamen’sche Krankheit. Könnte es denn nicht sein, daß darin der Grund für Royds selbstverordnete Quarantäne liegt? Könnte doch sein, daß sein Abkapseln tatsächlich eine Quarantäne darstellt. Denkt mal darüber nach.“
Es war in der fünften Woche ihres Fluges. Melantha Jhirl ließ einen Bauern angreifen. Royd begriff sofort, daß er damit das Spiel wieder einmal verloren hatte und gab auf. Es war seine achte Niederlage, die er von seiner schönen Gegenspielerin hinnehmen mußte – jeden Tag hatte sie ihm eine zugefügt. Sie saß im Schneidersitz auf dem Teppichboden des Aufenthaltsraumes. Auf einem Bildschirm vor ihr erstreckte sich das Schachbrett mit seinen Figuren. Lachend schaltete sie den Empfänger aus. „Machen Sie sich nichts daraus, Royd“, tröstete sie ihn, „wie ich Ihnen ja bereits sagte, bin ich eben ein veredeltes Modell und daher immer drei Züge im voraus.“
„Vielleicht sollte ich mal heimlich meinen Computer einschalten“, seufzte er. „Sie würden es niemals bemerken, wenn ich zu diesem Trick greifen würde.“ Seine Projektion tauchte urplötzlich vor ihrem Empfangsgerät auf und grinste sie an.
„Nach drei Zügen wüßte ich Bescheid“, gab sie unbeeindruckt zurück, erhob sich vom Boden und schritt geradewegs durch das Phantom hindurch, hinein in die Küche, aus der sie wenige Augenblicke später mit einer frischgeöffneten Büchse Bier zurückkehrte. „Wann hören Sie endlich mal mit dieser blödsinnigen Abkapselei auf und laden mich mal zu einem Besuch in Ihrem Etablissement ein, Kapitän?“ fragte sie unvermittelt, den Blick nicht etwa auf die Projektion, sondern auf den Übertragungslautsprecher an der Wand gerichtet. Sie weigerte sich einfach, den Schemen als Person zu betrachten. „Wird es Ihnen denn dort drinnen nicht mal langweilig? Sind Sie vielleicht in sexueller Hinsicht frustriert? Mann, Sie haben doch wohl nicht etwa Klaustrophobie?“
„Ich habe auf der Nachtfee mein gesamtes Leben verbracht, Melantha“, sagte Royd. Seine Projektion löste sich in Luft auf. „Wenn ich tatsächlich unter sexueller Frustriertheit, Klaustrophobie oder Einsamkeit litte, wäre dieses Leben, so wie ich es immer geführt habe, völlig unmöglich gewesen. Das sollte Ihnen als einem veredelten Modell doch wohl klar sein.“
Sie tat einen tiefen Zug aus ihrer Büchse und ließ ihr weiches, wohlklingendes Lachen ertönen. „Ich werde Sie harte Nuß schon noch knacken“, warnte sie ihn scherzhaft.
„Na prima“, gab er zurück. „In der Zwischenzeit können Sie mir ja noch ein paar Schwänke aus ihrem Leben erzählen.“
„Habt ihr je vom Jupiter gehört?“ fragte die Xenotechnikerin ihre Mitreisenden.
Sie war ziemlich abgefüllt und rekelte sich in ihrem Schlafnetz umher, das in einem der Laderäume aufgespannt war.
„Das hat doch irgendwas mit der Erde zu tun, nicht?“ meinte einer der Linguisten. „Wenn ich mich nicht irre, war das irgendeine mythische Figur oder so.“
„Schwätzer“, blaffte sie ihn an. „Du hast doch keine Ahnung, gib es doch zu. Jupiter ist ein riesiger Planet im gleichen System wie die gute alte Erde. Gasförmiger Aggregatzustand. Damals, bevor man den Überlichtantrieb entdeckte, hatte man vor, diesen Planeten zu erforschen. Mann, ist das lange her! Na, nachdem man die Überlichtgeschwindigkeit hatte, hielt sich niemand mehr mit solchen Kindereien auf. Man brauchte ja nur noch in den Hyperraum einzudringen, irgendwann einmal wieder auszutreten und sich in Ruhe besiedelbare Welten herauszupicken. Kometen, Asteroiden und Klötze wie den Jupiter konnte man einfach ignorieren. Einfach zum nächsten Sonnensystem geflogen und sich die passenden Planeten unter den Nagel reißen – damit hatte sich die Sache! Aber trotzdem gab es immer noch Leute, die der festen Überzeugung waren, daß solche gasförmigen Riesen Lebensformen beherbergen. Könnt ihr mir folgen?“
Dem Xenobiologen ging ihr betrunkenes Lallen auf den Geist. „Wenn es tatsächlich intelligente Lebewesen auf diesen monströsen Planeten gibt, haben sie jedenfalls kein Interesse daran, sich auf Raumflug zu begeben“, schnauzte er zurück. „Alle intelligenten Spezies, die wir im Weltall entdeckt haben, sind auf Planeten entstanden, die ähnliche Umweltbedingungen wie die Erde aufweisen. Die meisten von ihnen
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