Kopernikus 2
könnte er mit seinen Ängsten klarkommen: Wenn sie unbegründet sind, kann er sich von ihnen befreien, ist tatsächlich etwas dran an der Geschichte, kann er sie lokalisieren. Aber Psionin-4 ist eben weitaus sicherer. Die physischen Nebenwirkungen der Esperons sind katastrophal, er wird für eine Zeitlang völlig debil, außerdem kann ich mir gut vorstellen, daß er psychisch im Augenblick überhaupt nicht in der Lage ist, eine Injektion dieser starken Droge zu verkraften. Auch das Psionin kann uns schließlich eine Auskunft erteilen und damit weiterhelfen: Wenn seine Paranoia anhält, weiß ich, daß dieser Zustand nichts mit seinen telepathischen Fähigkeiten zu tun hat.“
„Und was ist, wenn sie nicht anhält?“ fragte der Universalist.
Sie verzog die Lippen zu einem boshaften kleinen Lächeln. „Na, dann wissen wir doch wenigstens, daß es tatsächlich eine Bedrohung gibt, oder nicht?“
Die Pseudonacht senkte sich über die Wohn- und Schlafräume des Schiffes. Royds Projektion materialisierte neben Karoly d’Branin, der über seiner obligatorischen Schokolade brütete. „Karoly“, fragte die Erscheinung, „wäre es möglich, daß euer Computer, der in einem der Laderäume lagert, mit meinem Bordsystem gekoppelt wird? Mich interessieren nämlich Aufzeichnungen, die sie über die Volcryn haben, und ich würde sie gern mal studieren, wenn ich Zeit habe.“
„Aber gewiß doch“, erwiderte Karoly zerstreut. „Es ist sowieso an der Zeit, daß wir unser System in Betrieb nehmen. Wir werden ja doch schon bald in den Normalraum eintauchen, nicht wahr?“
„Bald“, nickte Royd. „Es dauert, von nun an gerechnet, noch etwa siebzig Stunden.“
Zum Mittagessen am darauffolgenden Tag tauchte Royds Erscheinung nicht auf.
Die Akademiemitglieder waren etwas beunruhigt darüber, begannen jedoch mit der Mahlzeit, da sie jeden Augenblick mit ihm rechneten. Sicher würde er gleich kommen, sich auf seinen angestammten Platz begeben und sich wie üblich an der Unterhaltung beteiligen. Indes waren diese Erwartungen während des Hauptgerichtes uneingelöst geblieben, und auch als sie bereits beim Nachtisch angelangt waren, zeigte sich kein Royd. Schließlich dampften die Schokoladen-, Gewürztee- und Kaffeekannen vor ihnen – immer noch nichts.
„Unser Kapitän scheint ja ausgesprochen stark beschäftigt zu sein“, bemerkte Melantha Jhirl und lehnte sich mit ihrem Cognacschwenker zurück.
„Wir treten bald aus dem Hyperraum“, gab Karoly d’Branin zu bedenken. „Das erfordert eine Menge Vorbereitungen.“
Einige seiner Kollegen sahen sich bedeutungsvoll an. Alle neun waren voll gespannter Aufmerksamkeit, obgleich der junge Telepath einen etwas gedankenverlorenen Eindruck machte. Schließlich brach der Xenobiologe das Schweigen. „Was soll das eigentlich? Der Kerl ist doch überhaupt nichts. Es ist ja doch nur diese Scheißerscheinung, die zu Tisch kommt, also ist es vollkommen egal, ob er eine Mahlzeit versäumt oder nicht. Auch recht! Übrigens, Karoly, was ich sagen wollte …, einige von uns fühlen sich unbehaglich wegen Royd. Was weißt du überhaupt von diesem seltsamen Heiligen?“
D’Branin starrte ihn verblüfft an. „Was ich weiß, lieber Freund? Was gibt es denn so Wissenswertes?“ fragte er und beugte sich vor, um seine Tasse erneut mit dicker Trinkschokolade mit Zartbittergeschmack zu füllen.
„Du hast doch wohl auch schon bemerkt, daß er niemals aus seinen Räumen kommt, um leibhaftig an unserer Geselligkeit teilzuhaben, oder etwa nicht?“ fragte die Linguistin trocken.
„Hast du denn nichts im Raumhafen von Avalon über dieses komische Schiff und seinen Kapitän an Gerüchten gehört, bevor du es gechartert hast?“
„Darauf hätte auch ich gerne mal eine Antwort“, schaltete sich ihr Partner ein. „Avalon ist doch ein ungemein belebter Raumknotenpunkt. Wieso bist du gerade auf Eris gekommen, und was hast du über den Mann erfahren?“
D’Branin zögerte.
„Was ich über ihn erfahren habe? Na, ja, ich muß gestehen, eigentlich ausgesprochen wenig. Ich habe mit einigen Leuten von der Raumbehörde gesprochen, war auch bei einigen Chartergesellschaften, aber niemand wußte etwas über ihn. Er stammt nämlich nicht aus Avalon.“
„Wo ist er dann her?“ fragten die beiden Linguisten gleichzeitig und wie aus der Pistole geschossen. Sie schauten sich überrascht an, dann fuhr die Frau fort: „Wir haben auf seine Sprache geachtet. Er verfügt über keinen erkennbaren
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