Kopernikus 2
den Sonnen des Nor-T’alush-Systems hindurchzukommen, brauchten sie insgesamt fünfzehntausend Jahre, und danach verschwanden sie langsam. Der Mythos berichtet, daß das letzte Schiff vor etwa dreitausend Jahren das System verlassen hat.“
„Achtzehntausend Jahre“, flüsterte Royd, fügte dann jedoch in etwas skeptischem Ton hinzu: „Sind Ihre Nor T’alush denn überhaupt so alt?“
D’Branin grinste. „Als Sternenreisende sicherlich nicht. Ihre eigenen Geschichtsbücher behaupten, die Nor T’alush seien erst seit etwa neuntausend Jahren zivilisiert. Als ich das herausbekommen hatte, geriet ich ins Stocken. Dieser Punkt schien mir die Sache mit den Volcryn zu einer Legende zu machen, wunderbar, sicherlich, aber eben doch nicht mehr. Auf die Dauer hat mich die ganze Geschichte jedoch nicht aus ihrem Bann gelassen. In meiner Freizeit habe ich weiter nachgeforscht, ich habe die angebliche Legende mit anderen Kosmologien verglichen, um herauszufinden, ob eventuell auch andere Rassen etwas über die Volcryn aussagen. Ich dachte mir, daß ein solches Vorgehen vielleicht ganz sinnvoll sei. Ich hatte recht: Ich war auf einer ergiebigen Fährte.
Meine Entdeckungen versetzten mich in tiefes Erstaunen. Bei den Hranganern oder den von ihnen versklavten Rassen fand ich nichts, aber das war ja auch ganz logisch: Sie lagen ja jenseits des Siedlungsbereichs der menschlichen Rasse, die Volcryn hätten sie erst dann erreichen können, nachdem sie unseren menschlichen Raum durchkreuzt hatten. Mein Herumsuchen in den Mythen anderer Rassen hingegen brachte erstaunlich viel: genaugenommen fand ich die Geschichte von den Volcryn überall, bei den Fyndii, und die Damoosh, die ja die älteste Rasse sind, auf die wir jemals stießen, waren von der realen Existenz dieser Wesen überzeugt, bei den Gethsoiden von Aath gibt es eine ähnlich lautende Geschichte. Ich habe sogar die Mythen derjenigen Rassen überprüft, die noch weiter als die Nor T’alush entfernt sind; es gibt da zwar nur Fragmente, aber rudimentär findet sich die Geschichte von den Volcryn auch dort.“
„Die Legende aller Legenden“, merkte Royd an. Der Mund der Projektion verzog sich zu einem Grinsen.
„In der Tat, in der Tat“, rief d’Branin aus. „An diesem Punkt meiner Nachforschungen angelangt, setzte ich mich mit Experten in Verbindung, die im ‚Institut für Studien nichtmenschlicher Intelligenzen’ arbeiten und ihr Handwerk verstehen. Wir arbeiteten zwei Jahre lang eng zusammen. Und alles, was wir brauchten, war da, in den Datenspeichern und Bibliotheken der Akademie der Wissenschaften. Die Volcryn haben den Raumsektor, der heute zum menschlichen Einflußgebiet zählt, lange durchflogen. Sie haben einen Zeitraum dazu benötigt, der dem der menschlichen Entwicklung von ihren Anfängen bis zur Erlangung der Fähigkeiten des Raumflugs entspricht. Während wir heutzutage in der Lage sind, die Relativität auszuschalten und den Raum zu krümmen, haben diese Wesen ihre Schiffe geradewegs durch das Herz der menschlichen Zivilisation geführt, mit gleichmäßiger Unterlichtgeschwindigkeit, auf dem Wege zu den Grenzen unserer Galaxis und darüber hinaus, in die gähnende Leere und Dunkelheit zwischen den Galaxien. Ganz phantastisch, Royd, ganz phantastisch.“
„In der Tat“, pflichtete ihm Royd bei.
Karoly d’Branin setzte seine Schokoladentasse nieder und wandte sich hektisch Royds Projektion zu, aber seine Hand stieß in leere Luft, als sie Royds Unterarm umklammern wollte. Für einen Augenblick wirkte Karoly verwirrt, dann lachte er über sich selbst.
„Oje, meine Volcryn. Royd, ich klinke noch völlig aus. Ich bin jetzt hart am Ball. Zwölf Jahre habe ich mich permanent mit ihnen beschäftigt, und nur noch einen Monat – dann hab ich sie endlich. Und dann, dann, wenn ich mich dann nur mit ihnen verständigen kann, wenn unsere Wissenschaftler nur an sie herankommen, dann werde ich endlich auch wissen, was der Grund für ihr Verhalten ist.“
Die Projektion des Kapitän Royd Eris lächelte ihm zu und blickte ihn dabei mit ruhigen Augen an – Augen, die nichts sehen konnten.
Auf einem Sternenschiff werden die Passagiere nach nicht allzulanger Zeit unruhig, bei einem so kleinen Schiff wie der Nachtfee bedurfte es keiner zwei Wochen. Nach knapp vierzehn Tagen begannen wilde Spekulationen, die Royd natürlich alle mitbekam.
„Wer ist dieser Royd Eris denn nun wirklich?“ maulte der Xenobiologe, als er eines Nachts mit drei anderen
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