Kopernikus 2
mit den gröbsten Wirkungen begnügt hatten, und daß es auch Fehler in den Einzelheiten gab, die vermutlich mit den höchsten Maßstäben unverei n bar waren. Boks Stil „leitete sich“ nicht von Maxfield Pa r rish ab – er war eine Nachahmung. Und bei der Übernahme war es zu einer Vergröberung gekommen. Finlays strahlend schöne Männer und nackte Frauen, die so frivol mit Blasen verziert waren, schienen Filmszenen und Photographien aus Anzeigen nachgezeichnet worden zu sein. Moreys Zeiche n stil war so ausdruckslos, seine Farben so matt, die Gesam t wirkung so ohne Leben, daß man an dem Künstler unwe i gerlich eine pathologische Nervenschwäche diagnostizierte. Und was den Pionier Paul anging, so hatte dieser nicht den leichten Zug, sondern die schwere Hand bewußter und u n bewußter Clownerie.
Aber waren die Erzählungen, die diese Männer illustrie r ten oder die zu illustrieren ihnen mißlang, besser? Wah r scheinlich nicht. Zu oft waren sie hastig erzählt, Notlösu n gen von Männern, die zu sehr in Eile waren. Keine von i h nen hielte einer eingehenden Betrachtung stand. Man denke zum Beispiel an diese peinlichen pseudodichterischen Züge in Who Goes There?, die schlampigen Widersprüche in den Einzelheiten in Farewell to the Master, den völligen Feh l schlag von Universe, sein vielversprechendes metaphys i sches Thema dramatisch zu verwirklichen, und die grundl e gende psychologische Absurdität von Nightfall – eine Me n schenrasse, die niemals die Augen zumachte. Beim Lesen waren ihm diese Mängel sozusagen nur als irrelevant zu Bewußtsein gekommen, aber jetzt, im Rückblick, fielen sie ihm deutlich auf; dabei erfüllte ihn aber kein Gefühl der Desillusionierung, sondern eher die unwillkürliche, unbea b sichtigte Gewißheit, die mit wahrer Einsicht einhergeht. Es war nicht so, daß er etwa nicht auf die Erzählungen „scha u te“ – er „durchschaute“ sie. Vor ein paar Minuten hatten sie noch geschillert, jetzt waren sie durchsichtig. Welch mer k würdiges Genre, in dem solche Erzählungen als „Klassiker“ galten! Und doch waren sie die Klassiker, und mit vollem Recht, denn sie waren es, die die wagemutigsten Einfälle mit den breitesten und kühnsten Strichen hinwarfen. Die G e schichten beruhten auf Ideen, aber das richtige Wort für sie war schließlich doch nicht „Phantasie“. Nein, gerade die Phantasie war es, woran es ihnen ermangelte – wie dieses Urteil Ellsworth erstaunen würde! Diese Erzählungen waren unzureichend spekulativ, sie erhellten das Leben nicht, sie klärten es weder, noch kritisierten sie es. Kurzum, sie waren nicht ernsthaft; er hingegen – er war ein ernster Mensch. Er verspürte einen Hunger nach etwas Sättigendem und G e haltvollem, das Bedürfnis, sich mit etwas auseinanderzuse t zen. Es mochte doch irgend etwas in der Literatur geben, das ihm und für ihn etwas bedeuten würde, etwas zugleich Re a listisches und Spekulatives, etwas, das mit seinem wirkl i chen Leben zu tun hatte und doch nicht beschränkt war. So l che Bücher gab es. Er wußte, daß es sie gab. Er kannte ihre Titel, hatte in einige hineingeguckt, aber als er sich jetzt umblickte, bemerkte er keines von ihnen in den aufeina n dergetürmten Apfelsinen- und Äpfelkisten, die ihm als Buchregale dienten. Hier gab es keine Exemplare von E m ma, Little Dorrit, Die Brüder Karamasow, Middlemarch, Krieg und Frieden, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Ulysses zu finden, nichts außer einigen SF- und Krimina l romanen in Taschenbuchausgaben, die ihn nicht befriedi g ten. Das Leben war sicher zu kurz, um es mit der Lektüre solchen Zeugs zu verschwenden.
Und als sein Blick den Raum durchstreifte, er die Mag a zine und Bücher und Möbel betrachtete (es wurde ihm b e wußt, wie einfallslos das Muster des Bettzeugs war: es hätte von Morey sein können), kam sein Auge wieder auf Mr. Waters zu ruhen, der ihn noch immer mit jenem nachdenkl i chen, jenem rätselhaften Ausdruck betrachtete. Selbst ein bißchen nachdenklich geworden und mehr als ein bißchen ernüchtert, griff er hinauf, um die Brille abzunehmen und sie dem Alten zurückzugeben.
Als die Finger die Fassung berührten, machte es Klick!, und das letzte Paar Linsen fiel herab.
Diesmal zuckte er nicht zusammen. Aber ihn durchschoß, wie ein Pfeil des Apollo (sein eigener spontaner Vergleich), die Frage: „Was kann es mehr geben?“ Was mehr, wahrha f tig? Er blickte sich im Zimmer nach einer Antwort um und sah es aus einer
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